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Alanna Smith still small

Wir sind die Hüter*innen der Meere für kommende Generationen

Alanna Matamaru Smith ist Leiterin der Te Ipukarea Society (TIS), einer nicht staatlichen Umweltorganisation mit Sitz auf den Cookinseln, die sich für den Schutz unseres Ipukarea (übersetzt „unser Erbe“) einsetzt. Sie hat einen Bachelor of Applied Science mit Schwerpunkt Umweltmanagement von der University of Otago, Neuseeland und einen Master in Naturschutzbiologie von der Victoria University, Neuseeland. Außerdem wurde sie 2017 zur „Miss Cook Islands“ gekürt. Sie nahm im März an der 28. Sitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) als Teil der Delegation Indigenous Pacific Islanders teil.

Auf den Cookinseln sind wir von unserem riesigen Pazifischen Ozean umgeben. Wir nennen ihn Moana Nui o Kiva. Er ist ein wichtiger Teil unserer Identität. Unser Land, das zu 99,99 % aus Meer besteht, setzt sich aus 15 Inseln zusammen. Daher ist es für uns selbstverständlich, den Ozean als Quelle unserer Nahrung, unserer Kultur und unseres Erbes zu betrachten. Viel zu lange wurden die Stimmen der indigenen Bewohner*innen der pazifischen Inseln in Gesprächen über den Ozean ignoriert, obwohl wir ein tiefgreifendes Wissen über ihn und seine Bedeutung für unser tägliches Leben haben.

Der Großteil westlicher Kultur ist nicht nachhaltig, weil sie abhängig ist von zerstörerischen Praktiken und der profitorientierten Ausbeutung von Rohstoffen, die wenig bis keinen Raum für eine nachhaltige Zukunft lässt. Wir von der Te Ipukarea Society setzen uns für den Schutz unseres Erbes ein, – unserer Ipukarea. Wir besitzen weder das Land noch den Ozean – wir sind lediglich die Hüter*innen für nachfolgende Generationen. Deshalb müssen wir uns mit allen Mitteln dafür einsetzen, unsere natürliche Umwelt zu schützen und zu erhalten.

In unserer Ausschließlichen Wirtschaftszone gibt es Manganknollen. Die Regierung der Cookinseln hat deswegen Interesse daran, die Möglichkeiten von Tiefseebergbau zu erkunden. Mit dem „Seabed Minerals Act 2019“, hat sie ein Gesetz verabschiedet, das kommerziellen Tiefseebergbau in greifbare Nähe rückt. Erst letztes Jahr sind wir in eine fünfjährige Phase eingetreten, in der drei Bergbauunternehmen Lizenzen für die Exploration in unseren Gewässern erhalten haben. Die Auswirkungen dieser Erkundungen könnten massive Folgen für die Bewohner*innen der Cookinseln und die Pazifikregion haben.

Die Menschen der Cookinseln, vor allem die Bewohner*innen der äußeren Inseln, sind stark von der natürlichen Umwelt und der Fischerei abhängig. Fisch liefert 50-90 % des tierischen Eiweißes, das von Küstengemeinschaften vieler pazifischen Inselstaaten und -territorien verzehrt wird. Der Pro-Kopf-Verbrauch übersteigt den weltweiten Durchschnitt um mindestens das Drei- bis Vierfache – teilweise sogar um mehr als das.

Auch wenn es noch viel zu erforschen gibt, machen erste Ergebnisse zu den potenziellen Auswirkungen von Tiefseebergbau deutlich, dass er erhebliche Risiken mit sich bringt. Beispielsweise zeigen Untersuchungen, dass sich Giftstoffe aus von Tiefseebergbau verursachten Sedimentwolken in der Nahrungskette anreichern können. Zudem wurde festgestellt, dass die äußere Schicht der Knollen radioaktive Elemente enthält, die beim Abbau freigesetzt werden könnten. Allein diese Risiken sollten ausreichen, um die Pläne zur Durchführung von Tiefseebergbau zu pausieren, sodass wir ausreichend Zeit haben, seine Folgen zu untersuchen. Jede Auswirkung auf unseren Thunfischfang würde sich verheerend auf das tägliche Leben von uns Polynesier*innen auswirken – wir dürfen mit dieser potenziellen Gefahr nicht leichtfertig umgehen.

Werden die Fischbestände beeinträchtigt, die seit langer Zeit wesentlich für unsere Existenzgrundlagen und unsere Wirtschaft sind, wären wir dazu gezwungen, mehr westliche Produkte zu importieren, was uns weg von unseren Gewohnheiten und hin zu einer weniger nachhaltigen Lebensweise führen würde. Wir erleben das heute schon – wir importieren Plastikprodukte, die wir nicht recyceln können, sowie Elektronikschrott, der teilweise vergraben oder verbrannt wird. Beides hat massive Auswirkungen auf die Umwelt und unsere Gesundheit. Wir müssen uns so gut es geht als Hüter*innen unserer natürlichen Ressourcen einsetzen, die uns am Leben halten und unsere Unabhängigkeit bewahren.

Wir wissen außerdem viel zu wenig über die Umweltrisiken von Tiefseebergbau. Unsere Regierung befürwortet den Tiefseebergbau – doch die Informationen, die sie veröffentlicht, stützen sich nur auf die finanziellen Vorteile, während sie die Risiken kaum bis gar nicht beleuchten.

Das Narrativ von Bergbauunternehmen, nach dem wir die Mineralien brauchen, um energieeffizient zu werden, ist unhaltbar. Wir brauchen die Energiewende nur, weil Industrieländer die Umwelt in der Vergangenheit und auch weiterhin durch die Nutzung fossiler Brennstoffe belasten. Die Technologie entwickelt sich jedoch ständig weiter, sodass wir für die Energiewende möglicherweise künftig nicht mehr auf Metalle wie Kobalt – welches in den Manganknollen vorkommt – angewiesen sind. Tiefseebergbau würde nur die lange Geschichte der Industrienationen fortsetzen, in der sie die Natur ausbeuten und danach verschwinden und die Hauptlast den Menschen aus den Pazifikinseln überlassen.

Die Art und Weise, wie wir wirtschaften, ist nicht nachhaltig – wenn wir unserem Planeten weiterhin nur nehmen, ohne etwas zurückzugeben, werden wir unsere Heimat zerstören. Wir müssen eine Kreislaufwirtschaft schaffen und in Technologien und innovative Lösungen investieren, wie Batterie- und Metallrecycling und energieeffizientere Transportsysteme investieren. Das wird Tiefseebergbau überflüssig machen. Dieser Wandel muss weltweit geschehen.

Ich habe an der ISA-Konferenz diesen März als Mitglied der Delegation der Indigenous Pacific Islanders teilgenommen. Es hat 27 Jahre gedauert, bis unsere NGO und indigene Stimmen in einer ISA-Konferenz gehört wurden. Es ist enttäuschend, dass es so lange gedauert hat, bis unsere Perspektive endlich einbezogen wurde, aber wir hoffen, dass unsere Teilnahme weiterhin unterstützt wird. Nachdem ich die Diskussionen auf der Konferenz verfolgt habe, frage ich mich jedoch, ob die Ansichten der Bevölkerung der Cookinseln – und anderer Länder, die ein kommerzielles Interesse am Tiefseebergbau haben – von unseren staatlichen Vertreter*innen richtig wiedergegeben werden.

Die Bewohner*innen der pazifischen Inseln sehen die Folgen des ständigen Konsums und der Rohstoffgewinnung unter anderem im Anstieg des Meeresspiegels, im Verlust der biologischen Vielfalt, in verschmutzten Stränden. Die Ernährungssicherheit und die Kultur der Bewohner*innen der Cookinseln sind bedroht, doch die Bevölkerung weiß nur wenig über diese enormen Gefahren. Wie können unsere Politiker*innen dieses Vorhaben unterstützen, wenn diejenigen, die am meisten davon betroffen sein werden, nicht umfassend informiert werden?

Durch Wissen sollen Menschen mündig werden – doch das ist nicht möglich, wenn die Regierung nicht umfassend informiert. Deshalb setzt sich die Te Ipukarea Society dafür ein, unsere Bevölkerung aufzuklären – einschließlich derjenigen auf den Außeninseln, die schwer zu erreichen sind. So können sich alle Bürger*innen eine fundierte Meinung zu dem Vorhaben bilden, das sich unmittelbar auf ihr Leben auswirkt, insbesondere im Hinblick auf die Ernährungssicherheit und ihre künftige Existenzgrundlage auf ihren Heimatinseln.

Wir sind die Hüter*innen der Umwelt, in der wir leben, und müssen dafür sorgen, dass ihre Ressourcen auch für künftige Generationen erhalten bleiben. Es wird noch einiges an Zeit brauchen, um die Geheimnisse unserer Tiefsee durch unabhängige Umweltforschung besser zu verstehen. Ich fordere unsere Politiker*innen auf, sich dieser Verantwortung zu stellen und den Vorstoß zum Tiefseebergbau unverzüglich zu pausieren.

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