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Illegale Fischerei, Missbrauch, Kinderarbeit: das wahre Gesicht von Vietnams Fischereiflotte
Nov. 18, 2019

Illegale Fischerei, Missbrauch, Kinderarbeit: das wahre Gesicht von Vietnams Fischereiflotte

Von Environmental Justice Foundation Deutschland

2018 wurden in Vietnam neue Gesetze zur Verhinderung illegaler Fischerei erlassen. Nur ein Jahr später zeigen unsere Untersuchungen, dass diese immer noch nicht umgesetzt werden. Unser neuer Bericht belegt außerdem, dass Kinder, die teilweise nicht älter als elf Jahre sind, unter schlimmsten Bedingungen auf Schiffen der Fernfischereiflotte arbeiten müssen.

Desaster für Mensch und Umwelt

Die Fischpopulationen in den Gewässern Vietnams befinden sich in einem derart schlechten Zustand, dass sich Fischereischiffe gezwungen sehen, illegal in anderen Gebieten zu fischen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das haben vietnamesische Kapitäne und Besatzungsmitglieder der Environmental Justice Foundation berichtet.

Vietnam besitzt eine der am schnellsten expandierenden Fischereiflotten der Welt: zwischen 1990 und 2018 wuchs sie um über 160%. Diese Explosion der Anzahl an Fischereifahrzeugen hat zu massiver Überfischung und einer raschen Dezimierung der Fischpopulationen geführt.

Unser neuer Bericht enthält detaillierte Ergebnisse aus der Befragung von 239 Besatzungsmitgliedern von 41 vietnamesischen Fischereifahrzeugen, die während Fischereifahrten in thailändischen Gewässern festgehalten wurden. Zusätzlich enthält der Bericht ausführliche Interviews mit 45 Besatzungsmitgliedern von 20 Schiffen, die in Thailand festgehalten wurden, nachdem sie dabei ertappt wurden, wie sie illegal in thailändischen Gewässern fischten.

Der Bericht verdeutlicht, dass die Krise, in der sich Vietnam aufgrund sinkender Fischbestände befindet, ins Ausland "exportiert" worden ist. Fischereifahrzeuge bewegen sich zunehmend über die vietnamesischen Gewässer hinaus, um nach neuen Beständen zu suchen. Schiffskapitäne erzählten, dass sie von den Schiffseignern oft ermutigt wurden, in den Gewässern der Nachbarländer zu fischen, und dass sie noch vor dem Verlassen des Hafens offen über ihre bevorstehenden Reisen nach Thailand mit der Besatzung sprechen würden.

"Wir wussten schon vor dem Verlassen des Piers, dass wir nach Thailand fahren müssen, um Fisch zu fangen."
– Aussage eines vietnamesischen Bootsbesitzers und Kapitäns

Der zerstörerische illegale Fischereifang wird durch Kinderarbeit angetrieben. EJF fand heraus, dass 7 der 41 untersuchten Schiffe ein Kind an Bord hatten – einige von ihnen waren erst 11 Jahre alt. Dies geschieht trotz der klaren Gesetzeslage in Vietnam, die jede Form von Kinderarbeit an Bord von Fernfischerei-Booten verbietet.

Mangelnde Transparenz und fehlende Kontrollen

2018 erließ die vietnamesische Regierung neue Gesetze zur Bekämpfung illegalen Fischfangs. Durch den Vergleich von Untersuchungen vor und nach Inkrafttreten der Gesetze konnte EJF wenig Hinweise dafür finden, dass die Reformen tatsächlich umgesetzt worden sind.

Fischereifahrzeuge werden weiterhin unzureichend gekennzeichnet und entsprechende Nationalflaggen fehlen ebenfalls. Wichtige Dokumente, einschließlich detaillierter Besatzungslisten, werden noch immer nicht an Bord mitgeführt. Dies ist ein direkter Verstoß gegen die überarbeiteten Vorschriften.

Schiffskontrollen bei Abfahrt und Ankunft in Häfen scheinen lediglich aus einer flüchtigen Kontrolle von Dokumenten und Zählungen der Besatzungsmitglieder zu bestehen. Solche oberflächlichen Überprüfungen ohne Personalausweis oder Passkontrolle lassen es zu, dass Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit ungehindert stattfinden können. Sie ermöglichen es ebenfalls, Besatzungsmitglieder illegal auf See zu überführen, wodurch Arbeiter Gefahr laufen, gefangen und versklavt zu werden, weil sie zwischen Schiffen mit geringer oder gar keiner Fluchtmöglichkeit ausgetauscht werden.

"Schmutzige" Lieferketten

Unser Bericht belegt ebenfalls den Mangel an Nachweisen zu Fängen sowie entsprechender Überprüfungssysteme. Dies macht die Bestimmung der Herkunft von Fisch und Meeresfrüchten äußerst schwierig. Keiner der Fischer, mit denen EJF gesprochen hat, verwendete Logbücher, um Fänge zu dokumentieren. Das würde es ermöglichen, illegal gefangenen Fisch in internationale Lieferketten zu schleusen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Fisch und Meeresfrüchte aus illegaler Fischerei, gefangen von Sklaven und Kindern, auch in den Supermarktregalen in der EU und den USA erhältlich sind.

Insgesamt konnten wir feststellen, dass nur wenige der Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Reform der vietnamesischen Fischerei erfolgreich umgesetzt oder durchgesetzt wurden. Vietnam droht dementsprechend die Vergabe einer sogenannten "rote Karte" – ein vollständiges Verbot der Ausfuhr von Fisch und Meeresfrüchten in die EU.

"Vietnams Fortschritte bei der Bekämpfung der illegalen Fischerei waren in den letzten zwei Jahren extrem schleppend, da nur die absoluten Mindestvorschriften und Kontrollsysteme eingeführt wurden", so EJF-Geschäftsführer Steve Trent.

"Es gibt noch viel zu tun. Landesweite Schiffskontrollen, Transparenzmaßnahmen und verbesserte Inspektionsverfahren sind dringend erforderlich. Wir müssen jedoch anerkennen, dass Vietnam nicht allein mit diesen Problemen konfrontiert ist, und dass die Beendigung der illegalen Fischerei und von Verletzungen der Menschenrechte auf See internationale Zusammenarbeit erfordert. Regionale Organisationen wie ASEAN sollten eine Task Force bilden, die den Informationsaustausch sowie gemeinsame Durchsetzungsmaßnahmen und Überwachungsmechanismen von Schiffen ermöglicht."

Mehr Informationen:

  • Zum EJF-Bericht: "Caught In The Net"
  • Vietnam strebt für für das Jahr 2019 Fischerei-Exporte im Wert von 10,5 Milliarden US-Dollar an. 2017 lag dieser Wert bei 8,5 Milliarden US-Dollar (UN-Comtrade-Statistik), wobei die fünf wichtigsten Exportziele die EU (17 %), die USA (16,5 %), Japan (15,4 %), China (14,5 %) und Südkorea (9 %) waren.
  • Vietnam besitzt eine der am schnellsten wachsenden Fischereiflotten der Welt. Sie wuchs von nur 41.000 Schiffen im Jahr 1990 auf rund 108.500 im Jahr 2018 an.
  • Zwischen Anfang 2018 und Mai 2019 liegen Medienberichte und Regierungsaufzeichnungen vor, laut denen in elf verschiedenen Ländern der Region Asien-Pazifik mindestens 254 vietnamesische Schiffe festgesetzt und 644 Besatzungsmitglieder festgenommen wurden.
  • Der Jahresbericht für 2018 der vietnamesischen Generaldirektion für Fischerei stellte fest, dass in diesem Jahr 137 Schiffe, die IUU-Fischerei betrieben, festgesetzt wurden. Das entspricht einem alarmierenden Anstieg von 50,5 % gegenüber 2017.
  • 2017 wurde ein neues Gesetz für Fischerei verabschiedet. Es trat erst im Januar 2019 in Kraft und umfasst Geldbußen von bis zu einer Milliarde Vietnamesische Dong (ca. 36.000 Euro) für Kapitäne und Besitzer von Fischereibooten, die IUU-Fischerei in vietnamesischen Gewässern betreiben sowie Geldbußen von bis zu zwei Milliarden Vietnamesische Dong für Unternehmen, die illegale Fischerei im Ausland betreiben.