„Blue Carbon“-Brief an Politiker*innen: Meeresschutz ist entscheidend für Klimapolitik
Der in Küsten- und Meeresökosystemen gespeicherte Kohlenstoff kann die Klimakrise bremsen. Doch leider wird er von politischen Entscheidungsträger*innen weitgehend ignoriert, wie unser jüngster Bericht zeigt. Der Bericht wird durch einen offenen Brief gestützt, der sowohl von über 70 Klima-, Meeres- und Menschenrechtsexpert*innen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als auch Bürger*innen aus mehr als 100 Ländern unterzeichnet wurde. Am heutigen internationalen Tag der Mangrove wird er offiziell an Entscheidungsträger*innen in Europa, den Vereinigten Staaten und Großbritannien versendet und fordert sie auf, Meeresschutz ins Zentrum der internationalen Klimapolitik zu rücken.
Mehr als die Hälfte des biologisch gebundenen Kohlenstoffs wird von marinen Lebewesen gespeichert. Dieser „blaue Kohlenstoff“ befindet sich in Küsten- und Meeresökosystemen, von Mangroven über Seegraswiesen bis hin zum offenen Meer, wo Wale jedes Jahr Millionen Tonnen Kohlenstoff binden. Doch leider wird er derzeit in der Klimapolitik vernachlässigt, heißt es in dem offenen Brief. Insgesamt 90 Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt unterstützen die darin enthaltenen Forderungen.
Die Vernachlässigung und Degradierung von Ökosystemen mit „blauen“ Kohlenstoffvorkommen stellt ein ernstes Risiko dar. Durch den derzeitigen jährlichen Verlust von Seegras werden jährlich schätzungsweise 299 Millionen Tonnen Kohlenstoff freigesetzt. Für Mangroven steigt dieser Wert auf 450 Millionen Tonnen. Nur 7,7% des Ozeans entfallen auf Meeresschutzgebiete. Und nur 1,2% liegen außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit, was bedeutet, dass die Hohe See, die etwa 61% der Meeresoberfläche ausmacht, fast vollständig ungeschützt ist.
Richtig wiederhergestellt und geschützt, könnten küstennahe Ökosysteme wie Mangroven, Seegras, Salzwiesen und Seetangwälder bis zu 200 Millionen Tonnen des CO2 speichern, das der Mensch derzeit jährlich ausstößt.
Unser offener Brief enthält daher folgende Forderungen an die Entscheidungsträger*innen der internationalen Gemeinschaft:
- Aufnahme spezifischer, rechtlich bindender Ziele zum Schutz und zur Wiederherstellung von Gebieten, in denen blauer Kohlenstoff vorkommt, in die nationalen Pläne für die Implementierung der Klimaschutzziele (Nationally Determined Contributions, NDCs);
- Verpflichtung zum 30x30 Ozeanschutzplan und Schutz von 30% des Ozeans in Form ökologisch repräsentativer Meeresschutzgebiete bis 2030;
- Vereinbarung eines internationalen Moratoriums für den Tiefseebergbau, um die Tiefsee vor irreversiblen, großflächigen Schäden zu schützen.
Der neue Bericht hebt ebenfalls die Bedeutung der Verhandlungen des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) hervor, die aufgrund der Corona-Pandemie zweimal verzögert wurden. Sie entscheiden über verbindliche, messbare Ziele für die Wiederherstellung und den Erhalt der biologischen Vielfalt und müssen ebenfalls die technische und finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern festlegen, um diese Ziele zu erreichen.
Während sowohl der Bericht als auch der offene Brief die große Chance von „blauem“ Kohlenstoff aufzeigen, betonen sie auch, dass der Schutz mariner Lebensräume unter keinen Umständen ein Ersatz für eine weitgehende, sektorenübergreifende und auf einem ganzheitlichen Ansatz basierende Dekarbonisierung darstellen.
Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind existenzielle Bedrohungen für die Menschheit. Viel Leid kann verhindert werden, wenn wir unsere Beziehung zur Natur ändern und neu gestalten. Aus diesem Grund müssen unsere Entscheidungsträger*innen jetzt entschlossen handeln, um diese beiden miteinander verbundenen Krisen zu stoppen und gleichzeitig Umweltgerechtigkeit in den Mittelpunkt unserer Weltanschauung zu rücken. Und das bedeutet vor allem, den Ozean endlich als einen unserer größten Verbündeten im Kampf gegen die globale Erwärmung anzuerkennen.
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