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Schnell ins Handeln kommen beim Schutz von Küsten- und Meeresökosystemen

Von Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung, BMUV & Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) & Gründer, Environmental Justice Foundation

Mangroven, Seegras- und Salzwiesen besitzen die Fähigkeit, Kohlenstoffdioxid als „blauen Kohlenstoff“ zu binden und zu speichern. Das macht sie zu wichtigen Verbündeten in unserem Kampf gegen die Klimakrise. Obwohl sie nur 0,2 % der Meeresoberfläche bedecken, speichern sie bis zu 50 % des Kohlenstoffs, der in den Meeressedimenten gebunden ist. Doch intakte „Blue Carbon“-Ökosysteme leisten darüber hinaus noch deutlich mehr für uns Menschen und unseren Planeten.

Oasen der Artenvielfalt

Die Sundarbans sind die größten Mangrovenwälder der Welt und erstrecken sich über Indien und Bangladesch. Sie beheimaten eine beeindruckende Artenvielfalt und schützen die dort lebenden Menschen vor den Auswirkungen der Klimakrise.

Vielfältige Dienstleistungen für uns Menschen

680 Millionen Menschen weltweit leben heute in niedrig gelegenen Küstenregionen. Gesunde Küstenökosysteme können Schäden, die durch immer häufiger auftretende Wetterextreme, Stürme und den Anstieg des Meeresspiegels verursacht werden, reduzieren: Intakte Salzwiesen federn die Kraft von Wellen ab, indem sie ihre Höhe um fast ein Fünftel verringern; Mangroven können 70-90 % der Wellenenergie absorbieren.

Küsten- und Meeresökosysteme sind zudem wahre „Oasen der Artenvielfalt“: In Seegraswiesen tummeln sich Tausende von Arten; über 500 Pflanzenarten finden sich in Salzmarschen. Von Seekühen bis hin zum bedrohten Königstiger – Mangroven bieten all diesen wunderbaren Geschöpfen ein sicheres Zuhause. Gleichzeitig stellen Mangroven- und Seetangwälder Jungfischen Nahrung und Schutz zur Verfügung und unterstützen damit die Fischerei und den Lebensunterhalt vieler Menschen rund um den Globus.

Deutschland engagiert sich seit vielen Jahren mit zahlreichen Projekten für den Schutz, Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Mangroven. Seit 2023 ist Deutschland auch Mitglied der Mangrove Alliance for Climate (MAC) und unterstützt den sogenannten Mangrove Breakthrough, zwei wichtige internationale Initiativen gleichgesinnter Staaten und Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft zur Unterstützung des Mangrovenschutzes. Auf der COP28 vereinbarten Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate eine Kooperation für Mangrovenschutz und nachhaltiges Mangrovenmanagement gemeinsam mit afrikanischen Staaten. Die neue Kooperation trägt zum Erreichen der Ziele der internationalen Allianz und Initiative von Staaten, Zivilgesellschaft und Wissenschaft bei, Mangroven weltweit zu schützen.

Klimaschutz: Wichtige Verbündete

Küsten- und Meeresökosysteme spielen bislang eine unzureichende Rolle in der internationalen Klimapolitik. Gerade jene Ökosysteme, die uns helfen können, die Klimakrise einzudämmen, müssen dringend besser geschützt werden.

Wertvolle Ökosysteme unter Druck

Obwohl alle Fakten für den Schutz und den Erhalt dieser wertvollen Ökosysteme sprechen, haben sie bisher nur eine unzureichende Rolle in der internationalen Klimapolitik. Die Menschheit steuert auf eine „beispiellose“ Klimakrise zu – und trotzdem versäumen wir es, gerade jene Ökosysteme zu schützen, die uns helfen können, sie einzudämmen.

Im letzten Jahrhundert haben wir etwa 35 % der globalen Mangrovenbestände und 30 % aller Seegraswiesen verloren oder beschädigt. Umweltverschmutzung, die Auswirkungen der Erdüberhitzung und schädliche Fischereipraktiken haben dazu geführt, dass die von Neptungras bedeckte Fläche – eine Seegrasart im Mittelmeer, die bis zu 70-mal mehr Kohlenstoff binden kann als tropische Wälder – in den letzten 50 Jahren um fast 35 % geschrumpft ist. Auch in Deutschland sind Meere und Küsten durch intensive Nutzung, Umweltverschmutzung und die Klimakrise zunehmend unter Druck, was dazu führen kann, dass sich die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme ändert und ihre Widerstandsfähigkeit sinkt. Die zunehmende Beeinträchtigung und Zerstörung dieser Ökosysteme hat nicht nur dramatische Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt, die sie beheimaten – sie kann auch dazu führen, dass große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden, die bislang in ihnen gebunden waren, und so die Klimakrise noch verstärken.

Schnell ins Handeln kommen

Sebastian Unger, Meeresbeauftragter der Bundesregierung (BMUV), auf einem Schiff in einem Meeresschutzgebiet.

© Sebastian Unger

„Blue Carbon“-Ökosysteme sind kein „Wundermittel“ gegen die globale Erwärmung und ersetzen keinesfalls die Notwendigkeit, unsere Emissionen drastisch zu senken. Dennoch haben internationale Entscheidungsträger*innen erkannt, dass sie das schleichende Verschwinden der wichtigen Ökosysteme nicht länger ignorieren dürfen.

Auch die Hohe See leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und bietet einzigartige Lebensräume, zum Beispiel für wandernde Arten wie Blauwale. Deutschland hat als einer der ersten Staaten das neue UN-Hochseeschutzabkommen im September 2023 unterzeichnet. Bis heute haben insgesamt 86 Staaten das ebenso getan – ein großartiger Erfolg für den Multilateralismus. Nun bedarf es einer schnellen Ratifizierung durch mindestens 60 Staaten, damit das Abkommen möglichst schnell in Kraft treten kann. Mit dem Abkommen wird es möglich sein, Meeresschutzgebiete auf der Hohen See auszuweisen. Damit kann ein wertvoller Beitrag zum Ziel des neuen globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal, geleistet werden, bis 2030 mindestens 30 % der globalen Ozeane unter Schutz zu stellen. Darüber hinaus werden Umweltverträglichkeitsprüfungen für relevante menschliche Aktivitäten auf der gesamten Hohen See durch das Abkommen verpflichtend. Beide Vereinbarungen, UN-Hochseeschutzabkommen und die Beschlüsse von Kunming und Montreal, können den Schutz von Küsten und Meeren, inklusive der Hohen See, wesentlich verbessern. Diese wichtigen multilateralen Erfolge wären jedoch wertlos, wenn sie nicht ambitioniert umgesetzt werden.

Zügige Umsetzung nötig

Das Hochseeschutzabkommen und die Beschlüsse von Kunming und Montreal können Küsten- und Meeresökosysteme wirksam schützen, wenn sie ambitioniert umgesetzt werden.

Auch das kürzlich vom EU-Parlament angenommene Renaturierungsgesetz kann dazu beitragen, natürliche Lebensräume in Europa, die zu einem großen Teil in einem schlechten Zustand sind, zu schützen und wiederherzustellen. In Deutschland ist das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der Bundesregierung ein wichtiger Pfeiler, damit Deutschland seine Ziele zum Klimaschutz und zum Erhalt der biologischen Vielfalt einhält. Das ambitionierte ANK trägt dazu bei, den allgemeinen Zustand von Ökosystemen an Land und im Meer – Wälder und Moore, aber auch Seegraswiesen, Salzwiesen und Algenwälder – zu verbessern, sie wiederherzustellen und ihre Widerstandskraft gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise zu stärken. Die Ankündigung von Bundesumweltministerin Steffi Lemke, in den kommenden Jahren 420 Millionen Euro mit der Meeresnaturschutz Komponente in den Meeresschutz zu investieren, ist ein weiteres wichtiges Zeichen. Neben dringenden Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Meeresnatur soll mit diesen Mitteln auch auf zu erwartende langfristige Beeinträchtigungen, insbesondere aus dem Ausbau der Windenergie und der Klimakrise, reagiert werden.

Meere und ihre Küsten bilden unsere Lebensgrundlage und einen essenziellen Teil des Klimasystems. Sie sind entscheidend für eine nachhaltige Fischerei, Lebensgrundlagen und die Ernährungssicherheit sowie für den Schutz unzähliger Pflanzen- und Tierarten. Ihre und unsere Zukunft hängt davon ab, wie schnell und mutig wir jetzt handeln.

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