Wir essen unseren Planeten: COP26-Ankündigung zu Landwirtschaft und Ernährung greift zu kurz
45 Länder haben auf der Weltklimakonferenz Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der globalen Landwirtschaft und der Nahrungsmittel-Systeme angekündigt. Die Reform der Fleisch- und Milchindustrie wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie dringend erforderlich ist, um die Klima- und Biodiversitätskrise zu bewältigen.
Die neue Regierung in Berlin könnte eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Verpflichtungen zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Landwirtschaft in konkrete Maßnahmen umzusetzen, indem sie die Subventionen von der intensiven Massentierhaltung auf die Erforschung und den Anbau alternativer Eiweißquellen umverteilt und höhere Steuern auf tierische Produkte einführt.
Wir müssen die Zerstörung der Ökosysteme, die unsere Lebensgrundlage bilden, beenden. Doch dieses neue Versprechen für den Schutz der Natur wird nicht ausreichen, wenn die Schäden, welche durch die Fleisch-, Milch- und Fischereiindustrie verursacht werden, nicht angegangen werden. Sie treiben die Zerstörung von Lebensräumen weiter voran – vom indonesischen Regenwald bis zu den Cerrado-Savannen in Brasilien.
Zerstörerische Lebensmittel
Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, ist für rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Sie erzeugt mehr Treibhausgase als alle Autos, Lkw, Schiffe und Flugzeuge der Welt. Damit ist sie laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) eine der Hauptursachen für die Klimakrise.
Im Jahr 2016 stießen allein die 20 größten Fleisch- und Molkereiunternehmen der Welt mehr Treibhausgase aus als ganz Deutschland, der größte Klimasünder Europas. Der Fischereisektor, einschließlich hochgradig zerstörerischer Formen der Fischerei wie der Grundschleppnetzfischerei, setzt so viel CO2 aus den Meeressedimenten frei, wie die gesamte Luftfahrtindustrie in die Atmosphäre emittiert.
Die Landwirtschaft ist der größte Verursacher des weltweiten Verlusts an biologischer Vielfalt, einschließlich der Zerstörung wichtiger Kohlenstoffsenken wie des Amazonasgebiets für Sojaplantagen und Rinderzucht.
Diese harten Fakten machen deutlich, dass eine wesentliche Verringerung der Auswirkungen der Nahrungsmittel-Systeme, insbesondere der Fleisch- und Milchindustrie, der Schlüssel dazu ist, das 1,5℃-Ziel des Pariser Abkommens in Reichweite zu halten.
Die Zusage
Die neue Zusage der 45 Länder enthält einige vielversprechende Formulierungen zur Unterstützung regenerativer Anbaumethoden und zur Erhöhung der Transparenz in Lieferketten. Außerdem werden neue Unterzeichner der Zusage zum Schutz von 30 % der Land- und Meeresflächen bis 2030 angekündigt. Die Zusage beinhaltet auch die Entwicklung von Pflanzensorten, die gegen Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen resistent sind. Davon könnten Landwirt*innen auf der ganzen Welt profitieren, wenn sie gezwungen sind, sich an das veränderte Klima anzupassen.
Insgesamt wird diese jüngste Ankündigung der COP26 jedoch weithin kritisch betrachtet. Indem die durch Fleisch- und Milchprodukte verursachten Folgen nicht ernsthaft berücksichtigt werden, ist sie lediglich ein „Geschenk“ an die Lobby der großen Agrarunternehmen. Eine Handvoll von ihnen ist für den Großteil des Risikos für Entwaldung in den Lieferketten von Soja, Rindfleisch und Palmöl verantwortlich. Wir können nicht zulassen, dass diese Unternehmen unsere Erde weiterhin ungestraft zerstören.
Auf dem Weg zu Lösungen
Die Klimakrise und der Zusammenbruch der biologischen Vielfalt stellen existenzielle Bedrohungen für die Menschheit dar. Wenn wir den Klimakollaps verhindern wollen, braucht es einen „gesamtstaatlichen“ und „gesamtwirtschaftlichen“ Ansatz. Dazu müssen wir den großen industriellen Fleisch- und Milchsektoren, welche die Zerstörung unseres Planeten vorantreiben, die Stirn bieten.
Die deutsche Bundesregierung und viele weitere müssen ihre Zusagen zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft in konkrete Politik umsetzen. Denn die Landwirtschaft in Deutschland trägt maßgeblich zur Emission klimaschädlicher Gase bei: 2020 war sie nach Schätzungen des Umweltbundesamtes insgesamt für 60,4 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich – 8,2 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen des Jahres. Zwar ist die Fleischproduktion in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2021 um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Mit fast vier Millionen Kühen ist Deutschland allerdings nach wie vor der größte Produzent von Kuhmilch in der EU.
Wie wir uns ernähren, entscheidet maßgeblich, ob wir unsere Klimaschutzziele erreichen können. Die neue Regierung in Berlin kann hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Das Potenzial für CO2-Einsparungen in der Landwirtschaft ist groß. Gelingen könnte der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit, wenn staatliche Subventionen umverteilt würden – weg von der intensiven Massentierhaltung, hin zur Erforschung und zum Anbau alternativer Proteinquellen. Prämien und Umschulungen zur Pflanzenproduktion könnten Landwirt*innen den Ausstieg aus der Tierhaltung erleichtern. Eine höhere Besteuerung tierischer Produkte wie Milch und Fleisch wäre ein wichtiger Schritt, um die „wahren“ Kosten der Produktion und des Konsums abzubilden und bessere Preise für Landwirt*innen sichern. Gleichzeitig könnten die Einnahmen auch für den tier- und klimafreundlichen Umbau der Tierhaltung verwendet werden.
Die Natur muss ein Teil der Lösung für den Klimaschutz sein. Regierungen müssen sich auf den 30x30 Plan zur Erhaltung und Wiederherstellung der Natur, der 30 % der Meere einschließt, verpflichten. Langfristige sollte es das Ziel sein, in Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften, traditionellen Landrechteinhaber*innen und indigenen Völkern 50 % unseres gemeinsamen Planeten zu schützen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Schutzziele nicht nur bloße Bekenntnisse auf Papier bleiben oder weitere Menschenrechtsverletzungen fördern. Regierungen müssen echte Schutzmaßnahmen ergreifen und ausreichende Ressourcen für die Verwaltung von Schutzgebieten bereitstellen, wobei sie stets eng mit den lokalen Gemeinschaften und indigenen Völkern zusammenarbeiten müssen. Um die Natur erfolgreich zu schützen, müssen wir Partnerschaften mit indigenen Gemeinschaften eingehen und diese stärken. Denn sie machen zwar nur etwa 5 % der Weltbevölkerung aus, schützen jedoch bereits 80 % der verbleibenden biologischen Vielfalt unserer Erde.
Für eine nachhaltigere Zukunft müssen wir schließlich auch unser Konsumverhalten überdenken und ändern. Die Politik der Regierungen ist für diese Verhaltensänderung von entscheidender Bedeutung, zum Beispiel durch entsprechende Kennzeichnung sowie Steuern für CO2-Emissionen, welche die „wahren“ Kosten nicht nachhaltiger Nahrungsmittel-Systeme widerspiegeln. Ein weiterer wichtiger Schritt sind strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umweltschutz in ihren Lieferketten, um sicherzustellen, dass Missbrauch und Zerstörung nicht auf den Tellern der Menschen landen.
Diese neue Ankündigung der 45 Länder könnte die Basis dafür sein, dass die dringende Notwendigkeit einer Umgestaltung unserer Nahrungsmittel-Systeme zum Schutz der Menschen und des Planeten erkannt wird. Aber es braucht noch deutlich mehr Maßnahmen.
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