Der Ozean speichert riesige Mengen an Kohlenstoff und trägt dazu bei, die Klimakrise zu bewältigen. Er spielt eine wichtige Rolle dabei, bedrohte Wildtiere zu schützen und bietet Millionen von Menschen auf der ganzen Welt Lebensgrundlagen und Schutz vor Stürmen. Aber das kann er nur, wenn wir seine unschätzbaren Lebensräume schützen und wiederherstellen.
Hier stellen wir drei Personen aus verschiedenen Fachbereichen vor. Sie alle setzen sich dafür ein, dass marine Ökosysteme den Schutz erhalten, den sie verdienen, und machen unseren politischen Entscheidungsträger*innen klar, wie wichtig es ist, zu handeln, bevor es zu spät ist.
Wir sprechen als großer Ozeanstaat, nicht als kleiner Inselstaat. (...) Wir bieten der Welt Lösungen an.
Ronald Jumeau, Diplomat der Seychellen
Der Botschafter
Ronald Jumeau ist ehemaliger Kabinettsminister und Botschafter der Republik der Seychellen. Er repräsentiert sein Land auf der ganzen Welt und arbeitet daran, ein Bewusstsein und internationales Handeln zu fördern, um die Klimakrise zum Nutzen aller Nationen zu bekämpfen.
Jumeau sagte uns im Interview, dass „blaue“ Kohlenstoff-Ökosysteme wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise sind und dass Nationen wie die Seychellen an der Spitze globalen Handelns stehen, um sie zu schützen und wiederherzustellen.
Schon heute wirkt sich die Klimakrise auf Inselnationen aus. Sie werden wirtschaftlich verwüstet, lange bevor sie unter der Meeresoberfläche verschwinden: „Die Probleme unserer Inseln liegen nicht in der Zukunft. Sie passieren im Jetzt.“
„Kleine Inselnationen wollen kein Mitleid“, so Jumeau. Sie fordern Taten. Die Seychellen schützen bereits 30% ihres Ozean-Territoriums, weit mehr als das Ziel, das Gleiche bis 2030 weltweit zu tun. Und sie haben ehrgeizige Pläne, noch weiter zu gehen. „Wir werden uns bei der UN-Klimakonferenz COP26 verpflichten, sämtliche Mangroven, sämtliche Seegraswiesen – all unsere blauen Wälder – zu kartieren. Und wir haben uns verpflichtet, bis 2030 50% unserer gesamten blauen Wälder zu schützen. Bis 2050 werden wir 100% schützen.“
Wird der Ozean verschmutzt, „ist es, als ob man uns mit Schleim, mit Öl, mit Plastik überzieht, es schneidet in den Kern dessen, was wir sind.“ Botschafter Jumeau erzählte, dass der Ozean die „ganze Lebensweise, die Kultur, die Identität“ der Seychellen repräsentiert und dass sie „nicht verärgert sind, sondern enttäuscht und wütend.“
Er wies auch darauf hin, dass, wenn Inselnationen wie die Seychellen von den steigenden Meeren überflutet werden, London, New York, Shanghai und viele andere Bevölkerungszentren diese Folgen ebenfalls spüren werden. Andere Länder sollten „auf ihre eigene Wirtschaft hören“, denn dann sei ganz klar, warum sie gegen die Klimakrise kämpfen müssten.
Jede Küstennation würde gut daran tun, dem Beispiel der Seychellen zu folgen und ihre Küsten- und Meeresumwelt zu schützen. Die Hoffnung für seine Familie treibt den Botschafter an:
„Wenn ich den Ozean für meine Enkelin rette, dann rette ich ihn für alle Kinder in ihrem Alter. Sie ist es, vor der ich mich verantworten muss.“
Der Klimawandel kann nicht bekämpft werden, ohne den größten Motor einzubeziehen – einen gesunden Ozean.
Brendan Godley, Professor für „Conservation Science“ an der Universität von Exeter
Der Naturwissenschaftler
Brendan Godley ist Professor für „Conservation Science“ an der Universität von Exeter in Großbritannien. Durch seine Arbeit liefert er konkrete Beweise dafür, dass Ökosysteme den „Schocks“ der Klimakrise besser trotzen können, wenn sie gesund sind. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit dem Schutz von Meeresschildkröten und mit Plastikverschmutzung.
Professor Godley erzählte uns im persönlichen Gespräch, dass die wissenschaftlichen Beweise für den unglaublichen Wert von „BlueCarbon“-Ökosystemen immer noch in der Erfassungsphase sind. Ebenso wächst aktuell erst das Bewusstsein für ihre Bedeutung. Wir alle sollten jedoch weiter daran arbeiten, ihnen den Stellenwert zu verschaffen, den sie verdienen.
Er erklärte, dass Ökosysteme mit „blauen“ Kohlenstoffvorräten in größerem Umfang geschützt werden sollten. „Dazu gehören Mangroven, Seegraswiesen und Korallenriffe, aber es gibt eine wachsende Erkenntnis, dass viele andere Lebensräume, vor allem die Meeresböden der Küstenregionen, für den blauen Kohlenstoff wichtig sind. Diese wurden aber jahrhundertelang unterschätzt und unaufhörlich geschädigt.“
Als Naturwissenschaftler, der die Gemeinschaften, die von der marinen Biodiversität abhängen, in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, ist er der Meinung, dass diese Ökosysteme „konzertierte und zunehmende Aufmerksamkeit von Bürger*innen und der Zivilgesellschaft, von Unternehmen und Regierungen auf der ganzen Welt brauchen.“
Was seine Prognose für die Zukunft angeht, „müssen wir einfache Erfolge nutzen, die Menschen auf sie aufmerksam machen und auf dem aufbauen, was als 'Ocean-Optimism-Bewegung' bekannt geworden ist. Es gibt nicht nur schlechte Nachrichten da draußen. Zum Beispiel ist der Anstieg vieler Meeresschildkröten- und Walpopulationen zu meinen Lebzeiten ein Beweis dafür, dass Leidenschaft, Energie und gute Entscheidungen die Dinge besser machen können.“
Zum Schluss gab uns Professor Godley noch einen Rat mit auf den Weg:
„Gebt nicht auf. Engagiert euch, unterstützt NGOs, die für Veränderungen kämpfen. Und fangt an, eure Stimme zu nutzen, als ob die Umwelt das wichtigste Thema wäre. Denn das ist sie.“
Ohne die Beteiligung der Gemeinden, die in dieses Gebiet investiert haben, kann man es Naturschutz nennen, aber wenn es nicht den Menschen zugute kommt, die tatsächlich dort leben und diese Lebensräume nutzen, wird es sehr kontraproduktiv.
Suneha Jagannathan, Meeresbiologin
Die „Grassroots“-Naturschützerin
Suneha Jagannathan ist Meeresbiologin mit Sitz in Indien. Sie arbeitet an Projekten zur Wiederherstellung der Meere, berät Tourismusunternehmen bei der Integration eines Naturschutzethos und arbeitet mit Küstengemeinden und jungen Menschen in Indien.
Suneha ist der Meinung, dass die führenden Politiker*innen der Welt die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden und Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft fördern sollten, um Lebensräume mit „blauen“ Kohlenstoffvorräten zu schützen. „Wenn wir über Klimaschutz sprechen und darüber, wie wir mit der Wiederherstellung von Lebensräumen beginnen können, um sicherzustellen, dass wir den Klimawandel kontrollieren, kommt das Gespräch immer wieder auf terrestrische Ökosysteme und die Wiederherstellung von Wäldern zurück“, so Suneha.
„Es wird sehr wenig über blauen Kohlenstoff und den Wert von Küsten- und Meeresökosysteme als Kohlenstoffsenken gesprochen. Nicht viele Menschen wissen überhaupt von Ökosystemen wie zum Beispiel Seegraswiesen.“
Doch das beginne sich langsam zu ändern: „Es gibt mehr und mehr öffentliche Aufmerksamkeit und eine wirtschaftliche Bewertung dieser Ökosysteme.“ Was jetzt passieren müsse, sei eine stärkere Einbeziehung von Gemeinschaften in entsprechende Maßnahmen, um ganzheitlichen, effektiven Naturschutz zu betreiben.
Politische Entscheidungsträger*innen bleiben aktuell noch hinter ehrgeizigen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zurück. Aber das wachsende öffentliche Bewusstsein und die Forderungen nach Maßnahmen „sind ein Grund für uns, enorme Hoffnung zu haben. Vor allem, weil immer mehr Menschen beginnen, sich dafür zu interessieren. Besonders Kinder und die Jugend der Welt.“
Die Zukunft von „blauem“ Kohlenstoff
Alle drei Interviewpartner*innen hatten trotz ihrer unterschiedlichen Fachgebiete eine einheitliche Einschätzung was die Dringlichkeit unserer aktuellen Situation betrifft. Und sie zeigten sich alle optimistisch mit Blick auf die Zukunft.
„Blue Carbon“-Ökosysteme können ein wichtiger Teil der Lösung der miteinander verbundenen Krisen des Klimas, des Artenverlusts und der ökologischen Ungerechtigkeit sein. Diese essentiellen Lebensräume verdienen mehr Anerkennung und Schutz, insbesondere im Vergleich zu der Aufmerksamkeit, die derzeit den terrestrischen Ökosystemen geschenkt wird.
Unsere Expert*innen fordern die Welt auf, Küsten- und Meeresökosysteme, von denen wir abhängig sind, zu schützen. Sie alle glauben, dass es Hoffnung gibt, solange wir jetzt handeln. Und sie alle haben eine klare Vision von einer nachhaltigen, harmonischen und sicheren Zukunft für uns alle.
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