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Illegale Fischereiprodukte in der EU: Was Deutschland tun kann
Dez. 08, 2020

Illegale Fischereiprodukte in der EU: Was Deutschland tun kann

Von Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation

Über 90% der weltweiten Fischbestände gelten als überfischt. Seit nunmehr zehn Jahren hat eine EU-Verordnung zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU) weltweit zum Schutz der Meere beigetragen – und so jenen geholfen, die auf sie angewiesen sind. Trotzdem kann illegal gefangener Fisch immer noch in die EU gelangen. Als einer der Hauptmärkte für Fischereiprodukte trägt Deutschland eine besondere Verantwortung dafür, dass nachhaltige Fischerei weltweit zum Standard wird.

Im Jahr 2019 gaben die Deutschen rund 4,1 Milliarden Euro für Fisch und Meeresfrüchte aus und stellten damit einen neuen Verkaufsrekord auf. Die Covid-19-Pandemie hat den Appetit auf Fisch in Deutschland zusätzlich verstärkt und den Konsum kräftig angekurbelt.

Drei Viertel der jährlich in Deutschland verzehrten Menge an Fisch, Fischprodukten und Meeresfrüchten werden importiert. Aber wer weiß eigentlich, wie genau der Fisch auf unseren Tellern gefangen wurde?

Illegale Fischerei hat mittlerweile industrielle Maßstäbe erlangt: In einigen Fanggebieten macht sie bis zu 50% der Fänge aus. Während die Lebenswelten der Meere geschädigt werden und Fischbestände kontinuierlich abnehmen, sinken auch die Einnahmen der Fangschiffe. Um weiter Gewinne zu erzielen, verletzen einige Betreiber wissentlich Menschenrechte – unter anderem durch Zwangsarbeit und Sklaverei.

Gestohlene Existenzen

Vor den Küsten Westafrikas ist illegaler Fischfang durch ausländische Flotten an der Tagesordnung. Dabei sind 6,7 Millionen Menschen direkt von der Fischerei abhängig: Sie ist ihre Lebensgrundlage, Hauptgeschäft und wichtige Proteinquelle. "Wir können nirgendwo anders hingehen. [...] Wir werden aus unserem Geschäft verdrängt. Wir sterben", sagt Joseph Prah von der Elmina Boat Owners Association in Ghana.

"Wenn man auf die letzten 10 Jahre zurückblickt, war der Rückgang systematisch. Jedes Jahr sinken die Fangzahlen, und in diesem Jahr gab es überhaupt keinen Fisch mehr. Es sieht so aus, als hätten wir den Zusammenbruch unserer [...] handwerklichen Fischerei in Ghana erreicht", fügt Nana Jojo Solomon hinzu, ein ehemaliger Fischer in Elmina.

Insgesamt exportiert Ghana 85% seiner Fänge in die EU. Die Einfuhren von Fisch und Meeresfrüchten aus Ghana nach Deutschland belaufen sich auf rund 11 Millionen Euro pro Jahr (Stand: 2018).

Europas Bemühungen gegen illegale Fischerei

Im Jahr 2013 erhielt das westafrikanische Land im Rahmen der EU-Verordnung zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei eine "gelbe Karte".

Die EU-Verordnung soll verhindern, dass illegale gefangener Fisch nach Europa importiert wird. Das "Carding"-System ist einer der Eckpfeiler der Verordnung. Es ermöglicht der EU, Staaten zu sanktionieren, die nicht genug zur Bekämpfung des illegalen Fischfangs unternehmen: Länder erhalten eine "gelbe Karte" als Warnung vor Handelssanktionen und eine "rote Karte", wenn die Einfuhr von Fisch und Meeresfrüchten in die EU vollständig verboten wird. Für die erfolgreiche Umsetzung von Reformen arbeitet die EU mit jedem einzelnen Land zusammen.

Und so wurde die gelbe Karte Ghanas nach zwei Jahren angesichts weitreichender Reformen aufgehoben. Dennoch: In der Schleppnetzfischerei lassen sich weiterhin illegale Praktiken beobachten.

Ghana ist nur ein Beispiel unter vielen: EJF dokumentierte illegale Fischereiaktivitäten auf der ganzen Welt. Als weltgrößter Markt für Fischereierzeugnisse spielt die EU, und vor allem einflussreiche Länder wie Deutschland, eine grundlegende Rolle in der Debatte, ob nachhaltige Fischerei zur weltweiten Norm wird. Die inkonsequente politische Umsetzung der Verordnung darf nicht dazu führen, dass Konsument*innen unwissentlich den Missbrauch von Crew-Mitgliedern oder die Zerstörung maritimer Lebensräume unterstützen.

Deutschlands Verantwortung

In den letzten 10 Jahren hat die EU-Verordnung Länder auf der ganzen Welt dazu bewegt, die Transparenz sowie die Durchsetzung und Verfolgung von Verstößen innerhalb der Fischerei zu verbessern. In der EU und auch weltweit ist Deutschland einer der Hauptimporteure von Fisch und Meeresfrüchten. Es liegt also in seiner Verantwortung die weitere konsequente Umsetzung der EU-Verordnung so gut wie möglich zu fördern.

Die deutsche Regierung muss zusätzliche Ressourcen für die Kontrolle von Fangbescheinigungen bereitstellen. Nur so können risikoreiche Vorhaben identifiziert werden. Zusammen mit einem soliden Prüfverfahren können lange Lieferketten transparenter werden und das Risiko für illegale Fischerei verringert werden.

Die Verordnung zeigt, dass die EU durchaus das Potential hat, globale Veränderungen anzustoßen. Und sie hat die Mittel, die Erfolgsgeschichte ihrer IUU-Verordnung fortzusetzen. Wenn sie ein ernst zu nehmendes Vorbild bleiben will, muss sie auch die Nachhaltigkeit und Transparenz ihrer eigenen Flotte immer weiter verbessern. Wenn die Verordnung also konsequent und ehrgeizig umgesetzt wird, hat sie das Potenzial, die globale Fischerei transparenter zu machen und sie letztlich weltweit zu verändern.