Menschenrechtsverletzungen in der Fischereiindustrie enthüllt
Menschenrechtsverletzungen lassen sich im globalen Fischereisektor überall nachweisen. Unser neuer Bericht enthält detaillierte Fallstudien über Sklaverei, Schuldknechtschaft, unzumutbare Arbeits- und Lebensbedingungen, körperlichen und sexuellen Missbrauch bis hin zu Tötungen auf Fischereischiffen in insgesamt 13 Ländern über drei Ozeane hinweg.
Um den vollen Umfang der Menschenrechtsverletzungen in der globalen Fischerei aufzudecken, fasst der neue Bericht die Ergebnisse unserer jüngsten Untersuchungen sowie die Befunde anderer Nichtregierungsorganisationen und Medien zusammen. Er hebt zahlreiche Fälle von Missbrauch auf Fischereischiffen unter der Flagge von Entwicklungs- und Industrieländern hervor – aus der EU und den USA bis nach Asien und Südamerika.
Die Ergebnisse basieren auf kürzlich durchgeführten Ermittlungen, bei denen schwerwiegende Misshandlungen auf unterschiedlichen Fangschiffen aufgedeckt wurden. Das Ausmaß erstreckt sich von taiwanesischen Fangschiffen, die weit draußen auf See nach hochwertigem Thunfisch fischen, bis hin zu verzweifelten vietnamesischen Trawlern, die in ihrer Not thailändische Küstengewässer befischen, weil ihre landeseigenen Fischbestände bereits zusammengebrochen sind.
MENSCHENHANDEL & SCHUDKNECHTSCHAFT
Bei der überwiegenden Mehrheit der Fischer, die von Misshandlungen berichten, handelt es sich um Wanderarbeiter, die häufig von rücksichtslosen und profitgierigen Schleppern an die Schiffe vermittelt werden. Verdeckte Ermittlungen in Thailand zeigten, wie leicht neu ankommende Wanderarbeiter ausgenutzt werden können. Verträge werden häufig auf Thailändisch verfasst. Allerdings sprechen die Arbeiter oftmals kein Thai, sodass sie die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht verstehen und sich ihrer Rechte dementsprechend nicht bewusst sind.
Darüber hinaus erheben die Vermittler exorbitante Gebühren und Zinsen, die häufig direkt von den Löhnen der Arbeiter abgezogen werden. Dadurch schaffen sie letztlich optimale Bedingungen für eine Schuldknechtschaft.
EIN TEUFELSKREIS DES MISSBRAUCHS
Die Ausbeutung von Arbeitern an Bord von Fischereifahrzeugen ist Teil eines weitaus größeren Teufelskreises des Missbrauchs, der weltweit auf unseren Ozeanen stattfindet.
Zerstörerische und illegale Formen der Fischerei führen zu einem kontinuierlichen Rückgang der Fischpopulationen. Dies hat zur Folge, dass die Einnahmen aus der Fischerei insgesamt sinken. Um ihre Gewinne zu sichern, versuchen skrupellose Besitzer von Fischereifahrzeugen daher ihre Kosten durch illegale Praktiken sowie durch Schuldknechtschaft, Zwangsarbeit und Sklaverei zu senken.
Diese unkontrollierte, unregulierte und zerstörerische Ausbeutung mariner Ökosysteme führt zu einem kontinuierlichen Rückgang der Fischpopulationen – und fördert letztlich den Teufelskreis des Missbrauchs.
Wir konnten detaillierte Beweise für Menschenrechtsverletzungen mithilfe von Interviews mit Fischern an Bord vietnamesischer Schiffe sammeln. Die Besatzung sprach von vielen Überstunden sowie von unzureichender Versorgung mit Nahrung und Wasser. Löhne wurden oft nur dann gezahlt, wenn der Fang ergiebig war. Beim Auslaufen aus dem Hafen war den Arbeitern vollkommen bewusst, dass sie nach Thailand aufbrechen würden, um dort illegal zu fischen. Ihren Aussagen zufolge sei das Fischen in vietnamesischen Gewässern längst sinnlos, weil es dort keine Fische mehr gäbe. Die vietnamesische Fischereiflotte ist eine der größten weltweit und zählt mittlerweile weit über 100.000 Schiffe.
Korruption und schlechte Regierungsführung tragen insgesamt zur Verstärkung des Problems bei: Beide Faktoren verhindern eine effektive Regulierung und Kontrolle sowie die Durchsetzung geltender Gesetze.
MANGELNDE TRANSPARENZ IM FISCHEREISEKTOR
Unser Bericht kommt zu dem Schluss, dass insbesondere die fast vollständig fehlende Transparenz im globalen Fischereisektor der Grund dafür ist, weshalb Fischereiraktiken auf Kosten von Mensch und Umwelt an der Tagesordnung sind.
Die mangelnde Transparenz ermöglicht es rechtswidrig handelnden Schiffsbetreibern, ihre Identität zu verschleiern und eine eindeutige Identifizierung deutlich zu erschweren: Dazu ändern sie Schiffsnamen, verschleiern die wahren Eigentümer von Schiffen, fahren unter verschiedenen Flaggen oder löschen Schiffsnamen komplett aus offiziellen Registern.
„Unser Bericht beleuchtet zutiefst besorgniserregende Wahrheiten über die globale Fischereiindustrie und zeigt, dass illegale und skrupellose Besitzer von Fischereischiffen ein Geschäft betreiben, das im Kern auf dem Missbrauch von Arbeitern und der illegalen und zerstörerischen Ausbeutung der marinen Umwelt beruht“, so Steve Trent, EJF-Geschäftsführer.
PROBLEME & LÖSUNGSANSÄTZE
„Doch das muss nicht sein. Die Einführung der EJF-Charta für Transparenz im globalen Fischereisektor würde zu einem grundlegenden Wandel der gesamten Branche führen. Diese zehn einfachen, heute schon verfügbaren und kostengünstigen Maßnahmen der Charta – zu denen die Veröffentlichung von Fischereigenehmigungen und die Vergabe eindeutiger Schiffsnummern gehören – können von jedem Land leicht umgesetzt werden und würden es deutlich leichter machen, illegale Betreiber zu identifizieren, gegen sie vorzugehen und im Gegenzug ehrliche Unternehmen zu belohnen“, so Trent weiter.
„Unser neuer Bericht zeigt deutlich, dass Lücken bei den Arbeitnehmerrechten, den Fischereivorschriften und Vollstreckungsverfahren dringend geschlossen werden müssen. Fest steht, dass dieser Prozess in hohem Maße unterstützt werden kann, wenn alle Länder internationale Vereinbarungen wie das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Arbeit in der Fischerei (C188) ratifizieren, umsetzen und durchsetzen. Außerdem liegen die Argumente dafür klar auf der Hand, dass hart durchgegriffen werden muss gegen skrupellose Vermittler, die Wanderarbeiter täuschen, sie an Menschenhändler verkaufen und in die Schuldknechtschaft zwingen.“
Mehr Informationen:
- Hier geht es zu unserem Bericht: Blood and Water - Menschenrechtsverletzungen in der weltweiten Fischereiindustrie
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