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Nov. 17, 2021

Vorsicht vor vermeintlichen „Lösungen“ der COP26

Von Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation

Die Ergebnisse der COP26 in Glasgow zeigen, dass wir immer noch nicht die ehrgeizigen Schritte unternehmen, die erforderlich sind, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Doch die Maßnahmen, die Staats- und Regierungschef*innen ergreifen werden, sind jetzt wichtiger als ihre Worte auf der Konferenz. Alle Lösungen, die sie brauchen, um diese Krise zu beenden, sind vorhanden.

Auf der COP26 wurden einige Fortschritte erzielt. Nicht immer akzeptierten alle Nationen in der Vergangenheit, dass sich das Klima aufgrund menschlicher Aktivitäten verändert. Oder dass dringender Handlungsbedarf besteht und dass – trotz einiger kurzweiliger Widerstände – Einigkeit darüber herrscht, dass unsere verfügbaren Kohlenstoffbudgets rasch abnehmen.

Die Anerkennung der Notwendigkeit, in diesem Jahrzehnt tiefere Einschnitte vorzunehmen, und die ausdrückliche Erwähnung der Notwendigkeit, das Zeitalter der Kohle zu beenden, sind beides historische Schritte in die richtige Richtung. Es sind aber vor allem auch historische Entwicklungen, weil bisherige Fortschritte, insbesondere in den reicheren Ländern, in der Vergangenheit so zögerlich waren.

Die bittere Wahrheit ist, dass diese Weltklimakonferenz nicht den gesamtgesellschaftlichen Wandel gebracht hat, den wir brauchen, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern. Stattdessen haben sich die Staaten darauf geeinigt, ihre Emissionsreduktionsziele auf der COP27 im nächsten Jahr in Ägypten zu überprüfen – ein Prozess, der eigentlich in Glasgow hätte stattfinden sollen. Das bedeutet, dass das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, theoretisch noch immer gilt – auch, weil niemand es bislang für gescheitert erklärt hat.

Die in letzter Minute erfolgte Verwässerung des „Kohleausstiegs“ zu einem „Kohleabbau“ und die Vereinbarung, „ineffiziente Subventionen für fossile Energien auslaufen zu lassen“ war für viele frustrierend. Aber auch ohne klare Formulierungen im COP-Beschlusstext können und müssen die notwendigen Maßnahmen jetzt ergriffen werden – unabhängig davon, was der Klimapakt von Glasgow besagt.

Drei Schlüsselmaßnahmen, die jetzt ergriffen werden könnten, sind ein sofortiges Ende der Subventionen für fossile Energien, ein rascher Ausstieg aus fossilen Energien, einschließlich eines sofortigen Stopps neuer Öl-, Gas- und Kohleprojekte, und eine ehrgeizige, zeitlich begrenzte öffentliche Finanzierung des Übergangs zu erneuerbaren Energien.

Damit hätten wir eine reelle Chance, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und könnten verhindern, dass Millionen von Menschen sterben oder aus ihren Häusern vertrieben werden oder unter zunehmender Nahrungsmittel- und Wasserversorgungsunsicherheit leiden müssen. Ökosysteme wie Korallenriffe und Regenwälder, die wir bei einer Erwärmung um 2 °C fast vollständig verlieren, könnten erhalten werden und Menschen und Wildtiere gleichermaßen schützen und unterstützen.

Im November 2019 – zwei Jahre vor den Klima-Gesprächen in Glasgow – warnten die Vereinten Nationen, dass die weltweiten Emissionen zwischen 2020 und 2030 jährlich um 7,6 % sinken müssen, um das 1,5°C-Ziel zu halten. Kurz vor der COP26 stellten die Vereinten Nationen fest, dass wir stattdessen bis zum Ende des Jahrzehnts auf einen Anstieg der Emissionen um etwa 16 % zusteuern. Staats- und Regierungschef*innen beziehen sich ausdrücklich auf diese jährlichen Emissionssenkungen von 7,6 %. Sie sollten deshalb auch jährlich nachweisen, dass sie sie erreichen.

Verglichen damit sind Zusagen für Netto-Null-Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts ein billiger Trick, um die Konfrontation mit der Realität zu vermeiden. Es handelt sich um ein falsches, technologisches Lösungskonzept, das Unternehmen, die im fossilen Energiesektor und der Landwirtschaft aktiv sind sowie den Finanzinstituten, die ihre Umweltzerstörung finanzieren, einen Freifahrtschein ausstellt, damit sie wie gewohnt weitermachen können, in der Hoffnung, dass fragwürdige Kompensationen und Technologien, die noch nicht existieren, die Lücke schließen können.

Kohlenstoffkompensationen – die Fortsetzung der Umweltverschmutzung an einem Ort und ihre Reduzierung an anderer Stelle – hat bereits eine düstere Vergangenheit. Auf der COP26 wurde ein Problem, welches mit diesen Kompensationen einhergeht, ausdrücklich anerkannt: die Verwendung einer einzigen Kompensation für mehrere Klimaziele.

Der in Artikel 6 des Pariser Abkommens vereinbarte Ausgleichsmechanismus sieht jedoch nicht die äußerst wichtige freie, vorherige und informierte Zustimmung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zu solchen „Klimaschutzprojekten“ vor, die zum Schutz ihrer Menschenrechte dringend erforderlich ist. Einige Vertreter*innen indigener Stämme bezeichnen dies als neokolonialen Landraub. Diese ökologische Ungerechtigkeit hat bereits schwere Auswirkungen, wie etwa ein Staudammprojekt in Panama zeigt, welches indigene Gemeinschaften verdrängt und kulturelle, religiöse und historische Stätten unter Wasser setzt.

Die Staats- und Regierungschef*innen der Welt müssen der Realität der Klimakrise ins Auge sehen und sich zu dringenden Maßnahmen verpflichten, die über das schwache Abkommen von Glasgow hinausgehen. Sie wissen, dass entschlossenes Handeln in Sachen Klimaschutz keine „Kosten“ verursacht, sondern zukünftige Kosten einsparen kann, und dass es sich um eine Investition, nicht nur in unsere Zukunft, sondern in unser Überleben handelt.

Die Staats- und Regierungschef*innen der Welt brauchen keinen internationalen Klimagipfel, um zu begreifen, dass wir jetzt echte Maßnahmen und echte Lösungen brauchen und nicht nur leere Versprechungen. Sie wissen, dass nur 100 Unternehmen für 71 % der Treibhausgasemissionen seit 1988 verantwortlich sind und die Hauptziele für dringende und weitreichende Emissionssenkungen sein sollten, um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.

Wir haben die Lösungen für die Klimakrise. Was wir jetzt brauchen, ist der politische Wille, unseren Planeten und uns selbst zu retten. Die COP26 hat diesen Willen nicht aufgebracht. Doch jetzt fängt die Arbeit erst an. Und wir werden gewiss nicht damit aufhören, gerechte Maßnahmen für eine sichere, nachhaltige Zukunft für uns alle zu fordern.