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Verlust und Tapferkeit: Die Frauen von Dadaab

Es herrschte eine schlimme Dürre, die Bauernhöfe zerstörte und Viehbestände vernichtete. (...) Wir hatten 40 Ziegen – sie sind alle gestorben.

Fahia Abdullahi mit zwei ihrer Kinder

Die Mütter von Dadaab

Das Flüchtlingslager Dadaab wurde 1991 eingerichtet, um vorübergehend somalische Bürger*innen, die vor dem Bürgerkrieg fliehen mussten, aufzunehmen. Jahrelange Konflikte und Dürren haben dazu geführt, dass es auch heute noch existiert.

Khaira Hassan Mohammed lebt dort seit der Hungersnot im Jahr 2011. Heute ist sie 101 Jahre alt und braucht medizinische Versorgung. Sie hatte sechs Kinder, die sie seit ihrer Ankunft alle zu Grabe tragen musste. Auf die Frage, was sie von der Zukunft erwartet, sagt sie: „Fragen Sie nicht nach meinem Leben, ich bekomme nichts, niemand hilft mir.“

Viele weitere Mütter am Horn von Afrika werden ihre Kinder angesichts der Dürre beerdigen müssen, denn etwa 20,2 Millionen Kinder sind von starkem Hunger bedroht. Derzeit sind 380.000 Frauen in Somalia schwanger und benötigen lebensrettende Gesundheitsdienste. Frauen jeden Alters, von älteren Frauen wie Khaira bis hin zu Kindern jeden Alters, haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gesundheit und Würde.

Kampf um Bildung

Obwohl das Recht auf Bildung ein eigenständiges kulturelles Menschenrecht ist, erschweren gesellschaftliche Barrieren den meisten Frauen den Zugang zu ihr. Halima hat sieben Kinder, ist arbeitsunfähig und alleinerziehende Mutter. Im Interview erzählte sie uns, wie sehr sie für die Schulbildung ihrer Töchter und Söhne kämpfen musste.

Am Horn von Afrika gehen 15 Millionen Kinder nicht zur Schule; weitere 3,6 Millionen könnten infolge der anhaltenden Dürren hinzukommen. Unter diesen bereits prekären Bedingungen sind Mädchen in besonderer Weise benachteiligt: Von ihnen wird oft erwartet, dass sie sich um Haushalt und Kinder kümmern – insbesondere in Krisenzeiten, wenn Unterstützung am dringendsten benötigt wird.

Auch die Zahl der Kinderehen nimmt zu. Sie nehmen den Mädchen jegliche Perspektiven – oft werden sie durch erzwungene Eheschließungen Opfer von häuslicher Gewalt.

Ich flehte einen Lehrer an, ihnen die Aufnahme zu ermöglichen. Ich sagte: 'Bitte Bruder, ich habe kein Geld, das sind Kinder, lass sie lernen.' Schließlich erlaubte er ihnen, sich in der Schule einzuschreiben – Allah sei Dank, gepriesen sei Allah.

Halima Hasaan Ibrahim, Bewohnerin des Flüchtlingslagers Dadaab

Hohes Gewaltrisiko

Nach Angaben der Vereinten Nationen stiegen in Somalia Fälle von Vergewaltigung und Gewalt in Beziehungen zwischen Januar und Mai 2022 um zwanzig Prozent. In Flüchtlingslagern sind Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt, selbst Opfer von Gewalt zu werden.

Wiilo und Iasha leben zwar nicht im Camp, erzählten uns aber, wie sie auf der Suche nach Feuerholz von Männern angestarrt und verfolgt wurden; einige Mädchen seien heftig verprügelt worden.

Hierbei handelt es sich nicht um Einzelfälle: Eine Studie über Dadaab aus den Jahren 2014-2017 ergab, dass 47 % der Frauen unter Gewalt durch ihre*n Partner*in und 39 % unter Gewalt durch andere Personen litten. Frauen wie Wiilo und Iasha setzen jedes Mal ihre Sicherheit aufs Spiel, wenn sie sich auf die Suche nach Ressourcen machen, die sie für ihr Überleben und ihr Wohlergehen dringend benötigen.

Wir haben auch Angst vor Dieben. Sie rauben Häuser aus und Mädchen werden vergewaltigt. Es ist eine Qual... nachts muss man auf der Hut sein.

Wiilo Ibrahim (links) hält ihr Baby

Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Es gibt jedoch auch Geschichten der Hoffnung, etwa die von Fardowsa. Sie ist Journalistin und half uns bei der Durchführung dieser Interviews.

Fardowsa wurde in Dadaab geboren, da ihre Mutter 1991 dorthin zog, um dem Bürgerkrieg in Somalia zu entkommen. Auch wenn die Möglichkeiten einer journalistischen Ausbildung begrenzt sind und Frauen viele andere Hürden überwinden müssen, ist sie heute eine der fünf Journalistinnen in Dadaab und konzentriert sich in ihrer Radiosendung darauf, den Frauen im Camp eine Stimme zu geben und über die Klimakrise zu berichten.

Frauen muss es möglich sein, Bildung zu erhalten, eine Ausbildung zu absolvieren und Führungspositionen zu übernehmen. Heutige und künftige Generationen sollten nicht länger darunter leiden müssen, dass eine Handvoll Länder und Unternehmen unsere Erde und Menschen für den reinen wirtschaftlichen Profit ausbeuten.

Frauen sind besonders gefährdet. Wenn sie allein mit den Kindern leben, haben sie Angst um sich selbst, weil sie nicht sicher sind. Sie haben Angst um ihre Kinder, weil sie nicht genügend zu essen haben – es kommen so viele Dinge zusammen.

Fardowsa, Journalistin in Dadaab

Die Frauen am Horn von Afrika leben an vorderster Front der Klimakrise, obwohl sie diese Krise nicht verursacht haben. Wir können ihre Geschichten von Widerstandsfähigkeit und Kampfgeist erzählen, doch wir dürfen nie vergessen, dass sie gar nicht erst in dieser Situation sein sollten.

Diese Frauen haben ein Recht auf ein sicheres Zuhause, auf Nahrung und Wasser, auf Bildung, auf Gesundheitsversorgung und darauf, frei von Angst zu leben. Vor ihnen und ihren Kindern sollten sich die größten Umweltverschmutzer der Welt – Regierungen wie Unternehmen – für ihre Untätigkeit verantworten.

Die Klimakrise ist eine Krise der Frauenrechte. Alle Klimaschutzmaßnahmen müssen darauf abzielen, ihren Stimmen Gehör zu verleihen und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Dafür dringend nötig sind rasche Emissionssenkungen und ein rechtsverbindliches globales Abkommen zum Schutz der Menschen, die aufgrund der Klimakrise zur Flucht gezwungen sind. Wir dürfen diese Missstände nicht länger dulden.

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