Klimabedingte Vertreibung: Rechte von Kindern bedroht
Die Klimakatastrophe betrifft Menschen überall auf der Welt. Sie verschärft Armut, Unsicherheit und Konflikte und zwingt dadurch Millionen von Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Klimabedingte Vertreibung trifft einzelne Personen genauso wie ganze Gemeinschaften. Doch die Erfahrungen einer Bevölkerungsgruppe werden leider allzu oft vernachlässigt: die der Kinder.
Fast eine Milliarde Kinder leben aktuell in den 33 Ländern, die am stärksten von der Klimakrise bedroht sind. Zwischen 240 und 820 Millionen Kinder auf der ganzen Welt sind Umweltkatastrophen „stark ausgesetzt“ – erschreckende Zahlen.
Oft sind Kinder gezwungen, ihre Heimat oder sogar ihr Land zu verlassen, um den Auswirkungen der Klimakrise zu entkommen. Teilweise haben sie keine andere Wahl als die Flucht allein anzutreten, was ein noch größeres Risiko darstellt. Wir alle werden die Auswirkungen der Klimakrise zu spüren bekommen, doch wegen ihrer besonderen Anfälligkeit wird diese Krise für die Jüngsten unter uns noch dramatischer enden.
Besondere Verletzlichkeit
Für Kinder ist es schwieriger, Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, sanitären Einrichtungen oder Unterkünften zu bekommen, sodass sie häufiger mit Krankheiten in Kontakt kommen und durch Unterernährung, Menschenhandel und Kinderarbeit bedroht sind. Die Trennung von ihrem Zuhause und ihrem sozialen Umfeld kann außerdem zu einem Verlust des kulturellen Erbes, der Sprache und der Identität führen, ganz zu schweigen von wichtigen Versorgungsleistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung. Während diese Risiken auch für Erwachsene gelten, sind Kinder weniger in der Lage, sich zu schützen oder zu verteidigen und für sich selbst zu sorgen.
Die Rechte der Kinder
Klimabedingte Katastrophen wie Dürren oder Wirbelstürme verletzen die Menschenrechte von Kindern massiv. Werden sie aus ihren Häusern vertrieben, so ist ihr Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung, auf Bildung und Gesundheit und ihr Recht auf Unversehrtheit stark bedroht.
Der UN-Menschenrechtsrat und alle Unterzeichner*innen des Pariser Klimaabkommens sind dazu aufgefordert, bedeutsame, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechte der Kinder im Angesicht der Klimakrise zu schützen. Doch die Realität sieht anders aus: Der Zusammenhang zwischen Klimakrise, Vertreibung und Kinderrechten wird von Forschung und Politik bisher weitgehend außer Acht gelassen. Dieses Versäumnis fördert Gewalt, die langsam voranschreitet und meist unbemerkt bleibt.
Schleichende Gewalt
Nicht immer sind die Folgen der Klimakrise so unerwartet und dramatisch wie ein Taifun oder ein Waldbrand. Einige treten erst allmählich und unbemerkt auf. So tragen beispielsweise Kinder 88 % der Krankheitslast infolge von Klimazusammenbrüchen und sind aufgrund von Klimakatastrophen extremen physischen und psychischen Bedrohungen ausgesetzt. Wir bezeichnen dies als schleichende Gewalt.
In Somalia zwang 2018 eine schwere Dürre die Bevölkerung, aus ihren ländlichen Gebieten in die Städte zu ziehen. Die Vertreibung führte zu einem leichten Anstieg des Prozentsatzes von Schulkindern (von 34,5 % auf 37 %), aber zu einem deutlichen Rückgang des Prozentsatzes der Mädchen, die die Schule besuchen (von 45 % auf 29 %). Die erzwungene Migration hatte also schädliche soziale Geschlechternormen verschärft, den Zugang zu Bildung ungleicher werden lassen und damit die Rechte junger Mädchen verletzt.
Die Klimakrise nimmt Kindern den Zugang zu sauberer Luft, sauberem Wasser und Nahrung. Sie beschneidet ihr Recht auf Wohnung, Bildung und Freiheit von Ausbeutung, Menschenhandel und sogar Zwangsheirat. Sie bedroht ihr Überleben. Doch diese Kinder – wie auch alle anderen Menschen, die wegen der Klimakrise vertrieben wurden – befinden sich im rechtsfreien Raum, wenn sie internationalen Schutz suchen.
Internationaler Schutz
Rechtlicher Schutz für Menschen, die von der Klimakrise aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, ist selten, punktuell und nicht zweckdienlich. Obwohl Kinder und Erwachsene eindeutig gefährdet sind, gibt es bisher weder eine klare Definition noch die rechtliche Anerkennung von Menschen, die infolge der Klimakrise ihre Heimat verlassen müssen. Die Folge: Kinder verlieren durch die Klimakrise schnell den Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, sozialen Diensten und einem grundlegenden Gefühl von Sicherheit. Ohne die richtige Unterstützung und den rechtlichen Schutz, überlassen wir diese Kinder ihrer äußerst prekären Lage.
Aus diesen Gründen braucht es dringend einen menschenrechtsbasierten Ansatz zur Lösung dieses Problems. Wir müssen die Erfahrungen der durch den Klimawandel vertriebenen Kinder verstehen, einschließlich der Gründe, die sie zur Migration gezwungen haben, und der Risiken, denen sie auf ihrem Weg ausgesetzt sind. Wir müssen anfangen, Kinder und Jugendliche in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen und die Erfahrungen und Nöte der Menschen anzuhören, die durch die Krise bereits zur Flucht gezwungen worden sind.
Die Klimakrise ist eine globale Menschenrechtskrise. Kinder sind in besonderem Maße durch sie gefährdet. Während sie sich Tag für Tag weiter verschärft, dürfen sie nicht vergessen werden.
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