Die Gleichstellung der Geschlechter ist für echte Klimalösungen entscheidend
Frauen sind anfälliger für die Auswirkungen der Klimakrise, sterben häufiger bei Katastrophen und werden auf der Flucht häufiger belästigt. Außerdem werden sie seltener in die Klimaverhandlungen und -lösungen einbezogen.
Wir haben mit Rose Kobusinge, einer ugandischen Klimaaktivistin, und Joy Egbe, Mitbegründerin von Newdigit Technologies, einem nigerianischen Start-up-Unternehmen für erneuerbare Energien, das die Energiearmut bekämpft, darüber gesprochen, warum die Gleichstellung der Geschlechter für Klimalösungen von entscheidender Bedeutung ist.
- Wie und warum sind Frauen und Mädchen von der Klimakrise besonders stark betroffen?
Rose: In meiner Gemeinde in Uganda und in vielen anderen Gemeinden auf der ganzen Welt tragen die Frauen die Last der Familienversorgung. Die infolge des Klimawandels zunehmenden Dürren und Überschwemmungen setzen die Nahrungsmittelversorgung unter Druck, und ein großer Teil der Last fällt auf Frauen und Mädchen. In meiner Gemeinde schwänzen viele Mädchen die Schule oder brechen sie ab, um ihre Eltern beim Anbau von Feldfrüchten für den Eigenbedarf und den Verkauf für den Lebensunterhalt zu unterstützen.
Wegen dieser Geschlechterrollen sind Frauen und Kinder von Konflikten und Vertreibungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel in der Regel viel stärker betroffen als Männer. Im Westen Ugandas, im Distrikt Kasese, waren Frauen und Kinder beispielsweise von Überschwemmungen stärker betroffen, da sie mehr zu Hause bleiben und nur eingeschränkt mobil sind.
Globale Debatten haben geschlechtsspezifische Gewalt im Zusammenhang mit extremen Wetterbedingungen ignoriert. Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe auf Frauen und Mädchen sind in Vertriebenengebieten und Lagern extrem häufig. Wenn nur Frauen in solch prekären Situationen die Möglichkeit gegeben würde, würden solche Probleme ans Licht kommen und Lösungen von und mit den Frauen entwickelt werden, die von den erlebten Erfahrungen geprägt sind.
Joy: Frauen sind diejenigen, die rausgehen, um Wasser zu holen, Landwirtschaft zu betreiben und sich um den Haushalt zu kümmern. Deswegen trifft die Klimakrise sie am stärksten. Viele Mädchen müssen die Schule abbrechen, um ihre Eltern zu unterstützen, weil sie aufgrund der Klimaveränderungen verarmen. Hinzu kommt, dass viele junge Mädchen an ältere Männer verheiratet werden, weil ihre Familien das Geld zum Überleben brauchen. Vergewaltigung ist heute eine Waffe der Hirten in Nigeria, und Frauen und junge Mädchen sind die Opfer dieser Krise.
- Warum brauchen wir die Gleichstellung der Geschlechter, um eine wirklich nachhaltige Welt zu schaffen?
Joy: Um eine bessere und nachhaltigere Welt zu schaffen, brauchen wir ein Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern, denn wenn Frauen ermächtigt werden, können sie beim Aufbau einer Wirtschaft helfen, die wiederum die Armut und die Klimakrise beenden wird. Investitionen in die Bildung von Frauen sind der schnellste Weg, um die Armut in der Welt zu beenden und die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung [der UN] (UN-SDGs) zu erreichen.
Rose: Frauen und Mädchen wurden lange Zeit aus der Entwicklungspolitik ausgeklammert, und ich glaube, das ist der Grund für das derzeitige Chaos in der Welt. Solange wir nicht anerkennen, dass Frauen und Mädchen Führungspersönlichkeiten, Wegbereiterinnen und Problemlöserinnen sind, werden wir keine wirkliche Lösung finden.
Nehmen wir zum Beispiel die jungen Frauen, die sich an vorderster Front für Klimagerechtigkeit einsetzen. Wir sind mehr als entschlossen, uns für ein nachhaltiges und sicheres Klima einzusetzen. Alles, was wir brauchen, ist Unterstützung mit den richtigen Plattformen und Chancen. Alles, was nötig ist, ist, den Stimmlosen eine Stimme zu geben, ihnen zuzuhören und sie beim Handeln zu unterstützen. Das ist meine Meinung als junge Afrikanerin!
- Was sollte eurer Meinung nach getan werden, um sicherzustellen, dass Frauen auf der ganzen Welt ihren rechtmäßigen Platz bei der politischen Entscheidungsfindung erhalten?
Joy: Da Frauen von den Auswirkungen der Umweltzerstörung stärker betroffen sind, würde ich erwarten, dass mehr Frauen in den Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses rücken. Frauen sollten mehr Zugang zu den Verhandlungsräumen erhalten, und es sollten mehr Möglichkeiten geschaffen werden, um von Frauen geführte Initiativen und Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels zu präsentieren.
Rose: Viele Frauen, junge und alte, stehen an vorderster Front und fordern Klimagerechtigkeit. Ihnen muss nicht nur zugehört werden, sondern sie müssen auch eine Plattform bekommen, um Lösungen für uns alle zu entwickeln. Im Moment wird auf Alibi-Maßnahmen statt echter Einbindung zurückgegriffen. Eine oder zwei Frauen bekommen einen Platz am Tisch und dann rühmen sich die Verantwortlichen damit, wie sie Frauen einbeziehen.
Und selbst die wenigen, die am Tisch sitzen, bekommen keine Entscheidungsbefugnis oder Gelegenheit, etwas zu verändern. Wir brauchen die richtigen Plattformen, Machtpositionen, Finanzen, Unterstützung und sichere Räume, um uns auszutauschen und Lösungen zu finden. Nur so können wir die derzeitigen ungleichen Systeme signifikant verändern. Für eine Frau oder ein Mädchen ist es schwer, in diesen bestehenden Systemen zu wachsen, in denen Frauen sich so viel mehr anstrengen müssen, um zu beweisen, was sie wert sind. Die Gleichstellung der Geschlechter ist kein Kampf gegen ein Geschlecht, sondern ein Kampf für eine faire, gleichberechtigte und nachhaltige Welt, in der sich alle entfalten können.
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