Falschmeldungen von Fängen durch EU-Schiffe bedrohen den Ozean und verstoßen gegen internationales Recht
Im Rahmen der Überarbeitung der Kontrollverordnung für die EU-Fischerei sprechen sich einige Mitgliedstaaten und das Europaparlament dafür aus, ungenauere Fangmeldungen zuzulassen, indem die sogenannte Toleranzspanne aufgeweicht werden soll. Dies würde den Ozean bedrohen und gegen internationales sowie EU-Recht verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommen zwei neue Untersuchungen, die heute im Vorfeld der Trilog-Verhandlungen über die EU-Fischereikontrollverordnung veröffentlicht wurden.
Die Lockerung der Vorschriften für Meldung von Fängen hat dazu geführt, dass die wichtigsten Fischpopulationen der Ostsee stark zurückgegangen sind, so der Befund einer neuen Fallstudie. Die Environmental Justice Foundation (EJF) und ClientEarth warnen, dass ein solches Vorgehen in größerem Maßstab eine nachhaltige Fischerei sowohl innerhalb als auch außerhalb europäischer Gewässer durch EU-Flotten unmöglich machen und der Glaubwürdigkeit der EU bei ihren Bemühungen, die illegale Fischerei zu bekämpfen, auf internationaler Ebene erheblich schaden würde.
Diese Argumentation wird durch eine weitere unabhängige Analyse von Tullio Scovazzi, einem ehemaligen Professor für internationales Recht, gestützt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass möglichst genaue, vollständige Fangdaten nach internationalem und EU-Recht vorgeschrieben sind. Neue Gesetze, die Fangmeldungen deutlich abschwächen – wie etwa die Erhöhung der Toleranzspanne – würden damit gegen geltendes EU-Recht verstoßen und fast 40 Jahre Fortschritt bei den Fischereivorschriften zunichtemachen.
Nach derzeitig gültigen Vorschriften ist eine Fehlermarge von 10 % bei der Schätzung von Fängen zulässig. Das bedeutet, dass ein Schiffsführer bei seiner Fangmenge rechtmäßig 10 % mehr oder weniger Gewicht im Logbuch verzeichnen kann. Eine Überprüfung würde ergeben, dass die erlaubte 10 %-Spanne eingehalten wurde. Mit betrügerischen Tricks lässt sich dieser Wert jedoch leicht verdoppeln, und ohne angemessene Kontrollen ist es höchst unwahrscheinlich, dass dies aufgedeckt wird.
Im Jahr 2016 sind die Toleranzspannen in der Ostsee gelockert worden, sodass verschiedene Arten wie Hering und Sprotte austauschbar gemeldet werden konnten, solange der Gesamtfang innerhalb von 10 % des gemeldeten Gewichts lag. So konnte eine Fischart so lange gemeldet werden, bis die Quote für sie erreicht war; danach wurde sie als eine andere Art gemeldet, für die die Quote noch nicht erfüllt war.
Diese Falschmeldungen haben zu einem Rückgang der wichtigsten Fischpopulationen beigetragen und schränken eine verlässliche Bewertung erheblich ein. Die derzeitigen Vorschläge der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments für die Toleranzspanne basieren auf dem Gesamtfang und nicht auf einzelnen Arten. Sollten diese Vorschläge umgesetzt werden, insbesondere in Verbindung mit offensichtlich unzureichenden Kontrollen, könnte dies schwere ökologische und wirtschaftliche Konsequenzen für die Ostsee haben.
Bei den anstehenden Trilog-Verhandlungen über die EU-Fischereikontrollverordnung wird erwartet, dass der Rat der EU, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission eine politische Einigung über die Grundsätze für einen Kompromiss bei den Vorschriften zur Kontrolle der Fischerei und ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung finden.
Steve Trent, EJF Geschäftsführer (CEO) und Gründer kommentierte: „Lassen wir Betrug in der Fischerei zu, verlieren langfristig alle: Fischpopulationen brechen zusammen, ehrliche Fischer, die sich an die Vorschriften halten, werden benachteiligt und die Glaubwürdigkeit der EU bei ihren Bemühungen um eine nachhaltige Fischerei wird ernsthaft untergraben. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen diese neuen wissenschaftlichen Befunde ernst nehmen und sich bei den Trilog-Verhandlungen für gesunde Meere einsetzen.“
Arthur Meeus, auf Fischereirecht spezialisierter Anwalt bei ClientEarth, sagte dazu: „Ohne Transparenz ist ein genaues, auf wissenschaftlichen Daten basierendes Fischereimanagement unmöglich. Die neuen Befunde zeigen, dass eine Lockerung der Toleranzspanne sowohl aus ökologischer als auch aus rechtlicher Sicht höchst gefährlich ist.“
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