Spenden
Hydroid NOAA Ocean Exploration

Gemeinsam gegen Tiefseebergbau

Die ungewissen, aber wahrscheinlich erheblichen Umweltauswirkungen von Tiefseebergbau, Zweifel an der Funktionsweise der ISA und die Ungewissheit über den Bedarf an Tiefseemineralien für die Energiewende werfen etliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Legitimität des Vorhabens auf.

Zeitgleich zum Auftakt der Sitzungen des einflussreichen Rechts- und Technikausschusses (LTC) der ISA in Kingston, Jamaika, sprachen sich Mitglieder der Bundesregierung sowie Expert*innen aus der Forschung, der Automobilindustrie und der Zivilgesellschaft Anfang März in einem Webinar, das von Europe Calling und der Environmental Justice Foundation (EJF) organisiert wurde, gegen die überstürzte Erschließung der Tiefsee aus.

Tiefseebergbau ist nicht notwendig und hat nur Vorteile für wenige Unternehmen, die sich auf die Bergbauindustrie konzentrieren und hoffen, von ihm zu profitieren. Die Vorschläge für Tiefseebergbau werfen tiefgreifende Fragen der Umweltgerechtigkeit auf.

Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation

Brisingid sea star © NOAA Ocean Exploration

Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation: „Die Vorteile von Tiefseebergbau werden hauptsächlich einer Minderheit reicher Nationen und Unternehmen zugutekommen. Die Kosten wird der Rest der Welt tragen, insbesondere die Menschen, die ohnehin am stärksten gefährdet sind. Solange es keine glaubwürdigen, transparenten und unabhängigen Entscheidungsstrukturen gibt, können keine demokratischen oder legitimen Entscheidungen über Tiefseebergbau getroffen werden. Die vorsorgliche Pause ist unerlässlich."

„Die positiven Seiten des Schutzes der Tiefsee gehen alle zurück auf uns Menschen, denn letztendlich werden wir alle die Konsequenzen der Entscheidungen – entweder im positiven oder negativen Sinne.“

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV): „Die Position der Bundesregierung zu Tiefseebergbau ist klar: Da es ganz erhebliche Wissenslücken gibt, sehen wir keine tragfähige Grundlage für den Abbau von Rohstoffen. Und deshalb […] setzt sich Deutschland bis auf Weiteres dafür ein, dass kein Tiefseebergbau stattfindet.”

„Da nach wissenschaftlichen Einschätzungen der Tiefseebergbau mit ganz erheblichen Risiken verbunden ist […] und die Wissensbasis überhaupt nicht vorhanden ist, um überhaupt feststellen zu können, wie umweltverträglich Tiefseebergbau stattfinden kann, ist aus meiner Sicht, aus Sicht der deutschen Bundesregierung die einzige vernünftige Konsequenz, auf den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee zu verzichten, solange ernste Schäden […] der Umwelt nicht ausgeschlossen werden können. Und das ist Sachstand heute, nicht möglich.”

„Unser Ziel in diesen Verhandlungen ist ein robustes, effektives und verbindliches Regelwerk zur Verwaltung der Bodenschätze in der Tiefsee. Dieses Regelwerk muss zwingend transparente Verfahren festlegen, den wirksamen und nachhaltigen Schutz der Meeresumwelt garantieren und die Beweispflicht hierfür beim Antragsteller verorten.”

„Es gibt einen von einem einzelnen Unternehmen angetriebenen Wunsch nach Abbau von Bodenschätzen in einem noch nicht erforschten und nicht von Umweltschutzsstandards bisher ausgekleideten Bereich. Es ist daher unfassbar wichtig, dass sich die Öffentlichkeit einbringt.”

„Eigentlich erzwingt das BBNJ sogar, dass eine Precautionary Pause oder ein Moratorium eingesetzt wird. Das folgt eigentlich zwingend aus dem Abkommen von Montreal und auch dem BBNJ Abkommen.”

„Die Kreislaufwirtschaft ist eine zwingende Bedingung, wenn wir die Meere schützen wollen.“

Auch wenn die meisten oder alle von uns die Tiefsee wahrscheinlich nie bereisen werden […] müssen wir sie trotzdem schützen. Die Tiefsee braucht uns.

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV)

Squat lobster © NOAA Ocean Exploration

Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): „Deutschland hat nicht unerhebliche Lizenzen in dem Bereich, und deswegen ist Deutschland ein nicht ganz unwichtiger Akteur auch in der International Seabed Authority und bei dem ganzen Thema Tiefseebergbau. Wir haben uns jetzt als Bundesregierung (...) dazu entschieden, uns in dem Bereich der Forderung nach einer Precautionary Pause anzuschließen.“

„Die Gefahren und Konsequenzen sind potenziell so hoch und das ist auf gar keinen Fall wert, was wir an potenziellen Nutzen davon haben können. (...) Bevor wir nicht mehr wissen und vor allen Dingen bevor wir nicht auch wirklich eine große Schädigung ausschließen können, muss das Ganze zum Halten kommen.”

„Gleichzeitig laufen aber innerhalb der International Seabed Authority die Verhandlungen zu einem Framework dazu und diese Verhandlungen wollen wir auch nicht den Staaten überlassen, die es nicht so ernst meinen mit dem Meeresschutz.”

„Es dauert Millionen von Jahren, bis Manganknollen wieder aufgebaut sind. Was wir da für unsere nächsten Generationen und Kinder potenziell zerstören ist so massiv, dass man da vielen einfach mehr Wissen drüber geben muss.“

„Unsere Schätzung ist, dass es falsch wäre, davon auszugehen, dass wir in zehn Jahren noch die gleichen Batterien haben oder selbst auch noch in fünf; und dass man davon überhaupt nicht komplett extrapolieren kann, ob das reicht, was wir an Vorkommen auf der Erde haben.“

„Unserer Einschätzung nach ist es nicht so, dass man sagt, ohne die Mineralien in der Tiefsee, können wir nicht die Transformation gestalten. Das ist nicht so, sondern im Gegenteil: Die Risiken für das Klima sind so potenziell hoch, dass wir im Zweifel dort nochmal alles einreisen, was wir versuchen, mit der Gewinnung dieser Rohstoffe für Technologien auf anderer Seite zu erreichen.“

Auch innerhalb der EU haben sich längst nicht alle Mitgliedsstaaten dem Aufruf nach einer ‘Precautionary Pause’ angeschlossen. Das heißt, wir müssen auch noch in der EU Überzeugungsarbeit leisten.

Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Cirrate Octopod © NOAA Ocean Exploration

Lisa Levin PhD, Meeresforscherin am Scripps Institution of Oceanography, San Diego, USA: „Wir wissen inzwischen, (...) dass die biologische Vielfalt des Ozeans eine ganz wesentliche Rolle in der Aufnahme, im Transport und Speicherung von Kohlenstoff spielt.”

„In der Tiefsee befindet sich 50-mal so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre und 20-mal so viele wie man in Pflanzen oder im Boden an Land findet.”

„Der Tiefseebergbau wird mit Sicherheit zu einem Verlust von Kohlenstoffbindungsdiensten führen.”

„Der Abbau am Meeresgrund sorgt für erhebliche Zerstörung. (...) Zunächst die rein physische Störung, dass Tiere entfernt werden; hinzu kommen Sedimente oder Sedimentstaub, auch dadurch können Tiere sterben. Veränderte Substrate (...), Lärm, Verschmutzung, Vibrationen, Schadstoffe (...). Es gibt einen Ozean und alles ist miteinander verbunden auf dem gesamten Planeten Erde.”

Claudia Becker, Senior Expert Sustainable Supply Chain Management beim Autobauer BMW: „Das kritischste Argument war für uns die Forschungslücken (...) in Bezug auf Biodiversität und Umweltauswirkungen. Das heißt, aus unserer Perspektive konnte die Frage zur Verantwortbarkeit nach aktuellem Forschungsstand noch nicht beantwortet werden und somit folgt die Position der BMW Group dem Vorsorgeprinzip (...).”

„Wir verpflichten uns vorsorglich, keine Mineralien aus der Tiefsee zu verwenden, bis umfassende, wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen durchgeführt werden können und die Folgen für die Umwelt klar bewertet sind.”

„Es ist für uns entscheidend: Bevor ein potenzieller Abbau in der Tiefsee stattfinden kann, muss nachgewiesen werden, dass der Abbau so gestaltet werden kann, dass ein wirksamer Schutz des marinen Ökosystems gewährleistet ist. Aktuell nehmen wir wahr, dass es (...) eine Art Goldrausch auf die Tiefsee gibt, und daher [lautet] unsere klare Forderung, ausreichend Zeit einzuplanen und die möglichen Auswirkungen des Bergbaus in diesem einzigartigen Ökosystem wirklich ausführlich erforschen zu lassen.”

„Wir fordern Zeit für die Regulierung des Tiefseebergbaus […] Nach unserem Verständnis gibt es nicht genügend Informationen, damit die Internationale Meeresbodenbehörde, z. B. wissenschaftlich fundierte und datengestützte Entscheidungen treffen kann. […] Wir laden nach wie vor Industriepartner ein, sich unserem Aufruf anzuschließen.“

„Wir haben als BMW beschlossen, dass Kreislaufwirtschaft der Schlüssel zu Ressourcenschonung und CO2-Reduktion sein kann (...). Für uns ist die Zukunft zirkulär.“


Bildnachweis (Titelbild): Hydroid © NOAA Ocean Exploration

Weitere Beiträge