Kleidung und Klima: Ist Baumwolle die beste Lösung?
In jeder Diskussion über die Klimakrise wird immer mit dem Finger auf den Verkehrs-, Lebensmittel- und Energiesektor gezeigt. Sie sind für enorme Treibhausgasemissionen verantwortlich und werden häufig und verständlicherweise für die globale Erwärmung verantwortlich gemacht. Doch es gibt eine Branche, die in den Debatten selten erwähnt wird.
Die Textilindustrie pumpt jedes Jahr zwischen 1,22 und 2,93 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Für die Herstellung einer Tonne Textilien werden je nach Stoff zwischen 15 und 35 Tonnen CO2 benötigt; für die Herstellung einer Tonne Papier beispielsweise nur eine Tonne CO2. Das Ergebnis: Der Lebenszyklus von Textilien macht Schätzungen zufolge 6,7% aller weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Das entspricht dem Äquivalent jeder Person auf der Erde, die jedes Jahr einen 4.100 km langen Langstreckenflug absolviert.
Dies wäre kein so akutes Problem, wenn die Textilproduktion und der Textilkonsum sinken oder gar stabil bleiben würde. Aber beides nimmt drastisch zu: Seit 1975 hat sich die weltweite Produktion von Textilfasern fast verdreifacht. Im Jahr 2018 wurden 107 Millionen Tonnen Textilien produziert – eine Zahl, die bis 2030 voraussichtlich 145 Millionen Tonnen erreichen wird.
Und der "Fast Fashion-Zyklus" wird von Jahr zu Jahr schneller: Einige Labels bringen inzwischen bis zu 24 Kollektionen in einem Zeitraum von 12 Monaten heraus. Kleidung wird oft zu Billigpreisen verkauft: Zwischen 1996 und 2018 ist der Preis für Kleidung innerhalb der Europäischen Union im Verhältnis zur Inflation um 30% gesunken. Die Gewinnspannen mögen gering sein, doch die Mengen sind riesig: Europäer*innen verbrauchen heute durchschnittlich 31,21 kg Textilien pro Kopf und Jahr.
Rund 87% der in Europa "verbrauchten" Textilien werden importiert. Das macht Kleidung zu einem wesentlichen Faktor bei der so genannten "Verlagerung" von CO2-Emissionen: 43% der Treibhausgasemissionen Chinas aus der Bekleidungsproduktion sowie 44% der Emissionen, die mit der Produktion von Baumwolle in Indien in Verbindung stehen, werden durch die ausländische Endnachfrage verursacht. Wir importieren Umweltverschmutzung, wenn wir so viele Kleidungsstücke kaufen.
Es ist wichtiger denn je, dass Einzelhändler*innen und Verbraucher*innen sich für nachhaltige Baumwollfasern entscheiden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Menge an Polyester in unseren Kleidungsstücken hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der gesamten weltweiten Faserproduktion aus Erdöl hergestellt wird. Jährlich werden etwa 342 Millionen Barrel Öl benötigt, um die Nachfrage nach Fasern auf Kunststoffbasis zu decken. Darüber hinaus ist der Zerfall von synthetischen Fasern, wie Polyester, Nylon und Acryl, für 20-35% aller Mikrokunststoffe in den Meeren verantwortlich.
Eine weitere zunehmend verbreitete Faser ist Viskose. Aber auch das ist problematisch: 150 Millionen Bäume werden jährlich gefällt, um den für die Herstellung von Viskose benötigten Holzschliff herzustellen. Da die weltweite Waldfläche jedes Jahr schrumpft, kann eine Faser, die auf Kahlschlag basiert, wohl kaum als "nachhaltig" bezeichnet werden.
Was ist die Lösung? Baumwolle erscheint als die offensichtlich natürliche Option. Doch leider wird sie längst nicht mehr natürlich angebaut: 74% der gesamten Baumwolle ist heute gentechnisch verändert und wird unter Einsatz industrieller Mengen an Pestiziden und Düngemitteln angebaut. Obwohl Baumwolle nur etwa 2,3% der weltweiten Anbaufläche ausmacht, werden über 16% der weltweiten Insektizide verwendet. Darüber hinaus verzeichnet sie ebenfalls einen höheren Prozentsatz an gefährlichen Pestiziden als jede andere landwirtschaftliche Kulturpflanze: Während nur 25,8% der weltweit bei Getreide und 43,5% bei Reis eingesetzten Pestizide als "hochgefährlich" gelten, sind es bei Baumwolle 69,1%.
Darüber hinaus werden in der weltweiten Baumwollproduktion rund 8,2 Millionen Tonnen Chemikalien eingesetzt. Sie zerstören Böden, verschmutzen Wasser, dezimieren die biologische Vielfalt und vergiften oft auch Menschen. Gleichzeitig sorgen Chemikalien dafür, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck von Baumwolle mit 2 bis 4 Tonnen CO2 pro Hektar ausserordentlich hoch ist. Weltweit verursacht der Baumwollanbau so jährlich 220 Millionen Tonnen CO2. Der globale Wasser-Fußabdruck von Baumwolle beträgt rund 233 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Das entspricht 238 Badewannen Wasser pro Person pro Jahr.
Es gibt jedoch eine Form des Baumwollanbaus, welche die Umweltauswirkungen von Baumwolle drastisch reduziert. Im Vergleich zu konventionell angebauter Baumwolle hat Bio-Baumwolle ein um 40% geringeres "Treibhauspotenzial" und bietet eine 91%-ige Reduktion des "Blauwasserverbrauchs" – damit ist die Entnahme von Süßwasser aus Seen, Flüssen und dem Grundwasser gemeint.
Bei der Herstellung von Bio-Baumwolle handelt es sich um eine Anbauform, bei der sich wiederholt gezeigt hat, dass sie die Gleichberechtigung der Geschlechter, Gemeinschaftsbande, die biologische Vielfalt, verbesserte Böden sowie die menschliche Gesundheit fördert. Anstatt sich individuell bei Konzernen für Saatgut und Chemikalien zu verschulden, bilden Biobauern Kooperativen – eine völlig andere Form der Versorgungskette wie bei konventioneller Baumwolle, die oft intransparent und ausbeuterisch ist.
Biologischer Baumwollanbau gibt Baumwollbauern und -bäuerinnen Sicherheit. Er basiert auf Beziehungen, die auf Reputation, Vertrauen und Langlebigkeit ausgerichtet sind. Die Praxis der Fruchtfolge und der Diversifizierung macht die Produktion resistenter gegen schwankende Baumwollpreise. Auch die Böden der Landwirt*innen sind angesichts der Klimakrise widerstandsfähiger – zwar nicht vollständig immun gegen Dürre, aber deutlich besser in der Lage, sie zu überstehen, da gesunde Böden Wasser und Nährstoffe speichern können.
Eben diese Vorteile erklären, warum Bio-Baumwolle rasch wächst. Die Produktion stieg in der Anbausaison 2017/18 um 56% und in den Jahren 2018/19 um 31% an. Weltweit existieren 418.925 Hektar Land für Bio-Baumwolle; weitere 55.833 Hektar befinden sich in der Umstellung. Die beiden wichtigsten Zertifizierungsstellen für Bio-Textilien – der Organic Contents Standard (OCS) und der Global Organic Textile Standard (GOTS) – haben ihre Zahl der anerkannten Bio-Anlagen zwischen 2018 und 2019 um 48% bzw. 35% erhöht. Darüber hinaus steigt ebenfalls der Verkauf an Bio-Baumwollprodukten.
Heute ist World Cotton Day – eine gute Gelegenheit für Verbraucher*innen, Geschäftsinhaber*innen und politische Entscheidungsträger*innen, den Beschluss zu fassen, nur Bio-Baumwolle zu fördern und zu kaufen. Doch selbst diese ethische Entscheidung reicht nicht aus, um die Probleme der globalen Erwärmung im Zusammenhang mit Textilien anzugehen.
Baumwolle hat heute nur noch einen Anteil von 24,4% am globalen Markt für Textilfasern. Die meisten von uns tragen Kleidung, die aus Bäumen und vorwiegend aus Benzin hergestellt wird. Diese Kleidung wird ausnahmslos in Fabriken hergestellt und Tausende von Kilometern auf dem See- und Luftweg transportiert. Dabei werden immense Mengen fossiler Brennstoffe verbraucht.
Als Verbraucher*innen müssen wir vom Einzelhandel fordern, die Fashion Industry Charter for Climate Action zu unterzeichnen. Er muss sich darüber im Klaren sein, welchen Beitrag er auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft leisten kann. Denn solange es keinen radikalen Wandel in der Art und Weise gibt, wie wir uns kleiden, hören wir auch nicht damit auf, unseren Planeten auszubeuten.
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