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European Green Deal: Warum das Klimagesetz zu kurz greift
März 26, 2020

European Green Deal: Warum das Klimagesetz zu kurz greift

Von Environmental Justice Foundation Deutschland

Damit Europa bis 2050 klimaneutral wird, erscheinen Klima-Finanzpaket und Europäisches Klimagesetz der EU-Kommission zunächst ambitioniert. Doch der Teufel steckt im Detail – obwohl richtige Ansätze verfolgt werden, sind sie weder schnell noch mutig genug, um die Klimakatastrophe zu verhindern.

Die Pläne der EU berücksichtigen sämtliche Faktoren, die für den Erfolg der Klimastrategie in allen relevanten Bereichen von Bedeutung sind. Der Mechanismus für einen "gerechten Übergang" ist einer von ihnen: er stellt sicher, dass Gemeinden, Wirtschaftssektoren und EU-Mitgliedstaaten, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind, bei der Transformation nicht benachteiligt werden.

Auch die Idee, die enorme Wirtschaftskraft Europas für Klimadiplomatie zu nutzen, ist positiv zu bewerten. Erste Ergebnisse dieser Strategie zeichnen sich bereits ab. So wurde in einem Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten vereinbart, dass sich Brasilien im Austausch für den Zugang zum EU-Markt an die Vorgaben des Pariser Abkommens halten muss. Gleichermaßen ist die Verpflichtung zu "irreversiblem" politischen Wandel, der auch für zukünftige Entscheidungsträger*innen bindend wäre, zu begrüßen.

Nichtsdestotrotz hält das Europäische Klimagesetz – das Herzstück des European Green Deals – einer kritischen Analyse nicht stand. Drei zentrale Kritikpunkte lassen die Frage aufkommen, wie wirksam es tatsächlich ist:

  • die Ambivalenz hinsichtlich der Klimaziele für 2030,
  • die vorausgesetzte Schlüsselrolle technologischer Lösungen, die es momentan entweder nicht in der benötigten Größenordnung oder schlichtweg gar nicht gibt, und
  • die Frage, ob die geplante Finanzierungsstrategie überhaupt wie geplant umgesetzt werden kann.

Kritisches Jahr ist 2025 – nicht 2050

UN-Angaben zufolge rückt die Chance, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in immer weitere Ferne. Dies ist in besonderem Maße beunruhigend, denn jede weitere Erhöhung – etwa von 1,5 auf 2 Grad – hat potenziell verehrende Auswirkungen.

So sterben bei einer Erwärmung von 1,5 Grad zwischen 70 und 90% aller Korallen weltweit; bei 2 Grad wären es bereits 99%. Das Absterben dieser einzigartigen Ökosysteme gefährdet nicht nur die Vielfalt an Meerestieren, die auf gesunde Riffe angewiesen sind; tatsächlich stehen sowohl die Ernährungssicherheit, der Lebensunterhalt und der Schutz von Millionen von Menschen weltweit auf dem Spiel.

Um die globale Überhitzung zu stoppen, müssten die Emissionen bis 2030 jedes Jahr um 7,6% sinken. Warten wir damit allerdings bis 2025, springt dieser Wert auf 15,5% – eine jährliche Einsparung diesen Umfangs ist schlichtweg unrealistisch.

Angesichts der aktuellen Dringlichkeit erscheint es umso absurder, dass die Ziele für das geplante Klimagesetz erst im September 2020 verabschiedet werden sollen; ihre Erreichung ist erst für das Jahr 2030 vorgesehen. Dass die Ziele den EU-Institutionen beim entscheidenden UN-Klimagipfel in Glasgow im November vorliegen werden, ist damit höchst unwahrscheinlich.

Vertreter*innen aus den Reihen der Klimabewegung haben diesen gefährlichen Mangel an Ehrgeiz bereits scharf kritisiert. Und damit sind sie nicht allein: Minister*innen einer Vielzahl europäischer Länder haben einen Brief an den Vizechef der EU-Kommission und Kommissar für Klimaschutz – Frans Timmermans – unterzeichnet. Darin rufen sie ihn auf, ambitioniertere Ziele für 2030 sowie ihre Verabschiedung bereits im Juni 2020 fordern.

Theorien lösen keine Probleme

Der Plan der EU-Kommission stützt sich zudem stark auf technologische Lösungen – so etwa auf neue Methoden, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu "saugen". Während diese vermeintliche Patentlösung zunächst attraktiv erscheint, sieht die Realität anders aus. Denn Technologien dieser Art existieren nicht in der Größenordnung, in der sie benötigt werden. Darüber hinaus ist unklar, ob sie rechtzeitig entwickelt oder eingeführt werden können, um noch einen Unterschied bewirken zu können.

Der Einsatz natürlicher Lösungen sowie die Reduktion bzw. Vermeidung von Emissionen sind zwei klare Strategien für die Bewältigung der globalen Klimakrise, bei denen feststeht, das sie in der Praxis funktionieren.

Natürliche Lösungen sind kosteneffizient, können beträchtliche Mengen an Kohlenstoff absorbieren, könnten sofort in großem Maßstab umgesetzt werden und haben den positiven Nebeneffekt, dass sie sich positiv auf Flora und Fauna auswirken. Sie umfassen etwa die Wiederherstellung von Wäldern, Seegräsern, Feuchtgebieten und Mooren.

Eine noch einfachere Lösung bestünde darin, Emissionen zu verringern oder erst gar kein CO2 zu erzeugen. Weiterhin Investitionen in fossile Brennstoffe wie Gas und Kohle zu fördern, steht sowohl zu den Klimazielen als auch zur wirtschaftlichen Vernunft eindeutig im Widerspruch. Die Umverteilung von Subventionen weg von fossiler Energie wäre ein sofortiger und unkomplizierter Weg, um Emissionen zu senken.

Sprechen wir wirklich von "Billionen"?

Bei einem Großteil der geplanten Investitionen zur Unterstützung des Klimagesetzes handelt es sich nicht um "neue" Gelder, die die EU zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzen will. Was Neuzusagen betrifft, so stehen für den Just Transition Fund innerhalb von sieben Jahren nur 7,5 Milliarden Euro zur Verfügung – eine Summe, die durch die geplanten Ausgaben für neue Gasinvestitionen bei weitem übertroffen wird; ganz zu schweigen von den 4,2 Billionen Euro, die in der letzten Finanzkrise zur Rettung der Banken ausgegeben wurden.

Die beabsichtigten Investitionen liegen damit tragischerweise weit unter der Summe, welche die Kommission selbst als notwendig erachtet, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Darüber hinaus sollen die verbleibenden Investitionen, um bis 2030 auf insgesamt eine Billion Euro zu kommen, durch die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank privat finanziert werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht nur die Pläne für die Reduzierung der Nettoemissionen auf Null auf wackligen Beinen stehen, sondern auch die Pläne für die Finanzierung.

Scheitert bereits im "Best-Case"

Insgesamt basieren die dargestellten Vorhersagen und Pläne alle auf der Annahme, dass die Erwärmung unseres Planeten linear verlaufen wird. Die Idee: jedes Gramm Kohlendioxid, das in die Atmosphäre entlassen wird, verändert das Klima genauso stark, wie wir es bisher in der Vergangenheit beobachtet haben. Doch leider wissen wir, dass unsere Erde so nicht funktioniert.

Kippelemente, die den Klimawandel rasant beschleunigen können, treten oft unerwartet ein. Prognosen, die uns aktuell vorliegen, sind daher lediglich ein "Best-Case-Szenario". Traurige Bilanz: das Klimagesetz, das dem Europäischen Green Deal zugrunde liegt, würde nicht einmal diesem Szenario gerecht.

Bildnachweis: Ella Ivanescu via Unsplash