Mit Tiefseebergbau blind in die Katastrophe
Trotz des weltweiten Widerstands könnte der Tiefseebergbau schon in einem Jahr beginnen. Regierungen rund um die Welt müssen sich für den Schutz des Ozeans einsetzen und ein Moratorium verhängen.
Die Tiefsee macht 90 % der Meeresumwelt aus – und sie ist in akuter Gefahr. Die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, kurz: ISA) verhandelt derzeit darüber, wie der Tiefseebergbau zukünftig geregelt werden soll, und das trotz des heftigen Widerstands gegen diese neue Form der Ausbeutung unserer Meere.
Ansturm auf die Ausbeutung der Tiefsee
Die Pazifiknation Nauru hat im Juni letzten Jahres ein internationales Abkommen auf den Weg gebracht, das besagt, dass die ISA innerhalb von zwei Jahren Regelungen für die geplanten Bohrungen ausarbeiten muss und dass der Bergbau unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen unmittelbar nach Ablauf dieser Frist beginnen darf.
Die Uhr tickt: Die aktuellen Verhandlungen werden darüber entscheiden, ob und welche Vorschriften für den Tiefseebergbau gelten, der jetzt schon in einem Jahr beginnen könnte. 31 Unternehmen besitzen bereits Lizenzen für den Erkundungsbergbau, und schon im kommenden Jahr könnten Lizenzen für die vollständige Ausbeutung erteilt werden. Dies wäre verheerend für die Ökosysteme der Meere und unser Klima.
Die Tiefsee ist unverzichtbar, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Der Ozean absorbiert 90 % der Wärme, die durch unsere Kohlenstoffemissionen erzeugt wird. Darüber hinaus erfüllen seine Ökosysteme eine Reihe von lebenserhaltenden Funktionen, wie etwa die Kohlenstoffbindung und das Nährstoffrecycling. So sind hydrothermale Quellen am Meeresboden beispielsweise einerseits bekannt für die biologische Vielfalt bemerkenswerter Tiefseetiere – darunter die faszinierende und gefährdete „Eisenschnecke“ –, andererseits sind sie auch wichtig für die Kohlenstoffbindung.
Wertvolle Mineralvorkommen
Die Tiefsee wird allerdings auch auf Grund ihrer Ressourcen geschätzt, insbesondere wegen der metallreichen Mineralvorkommen. Kupfer, Kobalt, Nickel und Mangan sind lukrative Mineralien und machen den Tiefseebergbau zu einem potenziell attraktiven Geschäft. Befürworter*innen argumentieren, dass der Tiefseebergbau im Kampf gegen den Klimawandel notwendig sei, da die Metalle für Batterien von Elektroautos und Solarzellen verwendet werden könnten. Dieses Argument baut jedoch auf einer sehr beschränkten Logik auf, die allein auf einem kontinuierlichen Konsumwachstum basiert. Dabei werden die sehr realen Lösungen – etwa Kreislaufwirtschaft und Recycling – nicht berücksichtigt, die uns auch mit den Metallen versorgen können, die wir für die Herstellung von Batterien und Solarzellen benötigen.
Tiefseebergbau, der uns mit Metallen für die „grüne Wirtschaft“ versorgt, ist unsinnig, wenn wir bedenken, wie sehr der Ozean, die wohl größte aktive Kohlenstoffsenke der Welt, unter dieser Praxis leiden würde.
Mangel an Transparenz
Die ISA hat nicht die nötige Führungsstärke bewiesen, um unsere Meere zu schützen, da sie jeden Antrag auf die Erkundung von Tiefseegruben genehmigt hat – diese Verträge erstrecken sich über eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern Meeresboden. Der Entscheidungsprozess der ISA ist dabei erschreckend intransparent, da die genehmigten Verträge und Jahresberichte dieser Projekte vertraulich sind und alle Sitzungen der juristischen und technischen Kommission hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Die relativ geringen Beträge, die die ISA-Mitgliedsländer aus den Lizenzgebühren für den Tiefseebergbau erhalten würden, sind bei Weitem kein Ausgleich für den Preis, den die gesamte Menschheit für die durch den Tiefseebergbau verursachten Schäden zahlen würde. Profitieren würden davon nur einige wenige wohlhabende Einzelpersonen und Investmentgesellschaften, die den Großteil der Gewinne behalten würden.
Bei den ISA-Verhandlungen erklärte die chilenische Delegation, dass sie „nicht damit einverstanden sei, dass Unternehmer*innen Vorrang eingeräumt wird, obwohl deren Interessen denen der Menschheit widerspricht.“ Deutschland wies darauf hin, dass „die überwiegende Mehrheit der artenreichen Lebensräume und ökologischen Prozesse in der Tiefsee noch unbekannt sind“, und die Föderierten Staaten von Mikronesien erklärten, sie sähen den unregulierten Tiefseebergbau als unvereinbar mit ihren Verpflichtungen zum Schutz der Meere auf nationaler Ebene an. Mehrere Länder äußerten Bedenken hinsichtlich der finanziellen Tragfähigkeit von Bergbauunternehmen und der überstürzten Ausbeutung der Tiefsee, die schneller erfolgen soll, als eine detaillierte Bewertung möglich wäre.
Breiter Widerstand
Auf der UN-Ozeankonferenz (UNOC) in Lissabon wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Tiefseebergbau anzuprangern und ein Moratorium für den Tiefseebergbau zu fordern. Der Präsident von Palau, Surangel Whipps Jr., kündigte eine Allianz der Länder an, die ein Moratorium für den Tiefseebergbau fordern. Fidschi und Samoa sind dieser Allianz als erste Länder beigetreten.
Chile hat eine 15-jährige Verlängerung der Frist für die Ausarbeitung von Regelungen für den Tiefseebergbau gefordert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich ebenfalls gegen den Tiefseebergbau aus und forderte einen rechtlichen Rahmen, um ihn zu verhindern, sowie mehr Mittel für die Erforschung unserer Meere. Marie Toussaint, Mitglied des Europäischen Parlaments, war Mitinitiatorin einer Erklärung, die von 216 weiteren Parlamentarier*innen aus 47 Ländern unterzeichnet wurde, die sich für die Umsetzung des Moratoriums einsetzen und eine Reform der ISA fordern.
Unternehmen wie Volvo, die BMW-Gruppe, Samsung, Google, Volkswagen haben sich ebenfalls verpflichtet, keine Mineralien aus der Tiefsee zu verwenden. Bisher haben sich zudem 653 Wissenschaftler*innen für einen Stopp des Tiefseebergbaus ausgesprochen. Es ist mehr als eindeutig, dass Experte*innen, Politiker*innen, Unternehmen und die Öffentlichkeit diese unnötige und höchst zerstörerische Ausbeutung unseres Ozeans nicht unterstützen.
Trotzdem steuern wir derzeit blind auf eine Katastrophe zu. Aktuell werden die Vorschriften noch ausgearbeitet, Verträge könnten bereits im nächsten Jahr erteilt werden. Tiefseebergbau könnte die Ökosysteme der Meere und einzigartige Arten auslöschen, bevor wir überhaupt die Chance haben, sie zu erforschen. Die Regierungen aller Länder müssen sich für die gemeinsame Zukunft der Menschheit und für das Leben auf der Erde einsetzen und jetzt dringend ein Moratorium für den Tiefseebergbau verhängen.
BLEIB AUF DEM LAUFENDEN
Wenn Du möchtest, informieren wir Dich regelmäßig über unsere Arbeit. Unser Newsletter ist kostenlos. Du kannst ihn jederzeit ohne Angabe von Gründen abbestellen.