Tiefseebergbau – eine Gefahr für die letzte unberührte Wildnis der Erde
Tiefseebergbau könnte unersetzliche marine Ökosysteme beschädigen oder zerstören. Das UN-Gremium, das für die Verwaltung des globalen Meeresbodens zuständig ist, ist seiner Verantwortung nicht gewachsen. Regierungen weltweit müssen sich gegen Vorschläge aussprechen, die den Ozean ausbeuten, eine Handvoll Unternehmen bereichern und drastische Konsequenzen für die Menschheit hätten.
Erste Tiefseebergbau-Projekte könnte in weniger als einem Jahr beginnen, obwohl Verhandlungen zur Regulierung der Branche ohne Einigungen über Umweltvorschriften beendet wurden. Staats- und Regierungschef*innen vieler pazifischer Inselstaaten haben dazu aufgerufen, sich gegen diese Pläne auszusprechen, da die Risiken der unregulierten Ausbeutung der Tiefsee bislang unklar sind.
Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) muss sicherstellen, dass die Tiefsee verantwortungsbewusst bewirtschaftet wird. In der Realität sind ihre Vorgänge jedoch erschreckend undurchsichtig, voller Interessenkonflikte und letztlich nicht zielführend. Die ISA hat bislang keinen einzigen Antrag auf Genehmigung für entsprechende Vorhaben abgelehnt, sodass bereits Lizenzen für 1,5 Millionen Quadratkilometer der Tiefsee erteilt wurden. Und das, obwohl Wissenschaftler*innen jedes Mal, wenn sie Untersuchungen in den betroffenen Gebieten durchführen, auf neue bislang unbekannte Arten stoßen.
Hinter verschlossenen Türen
Die ISA profitiert direkt von Lizenzen für Tiefseebergbau – ihr Generalsekretär soll angeblich sogar in einem Werbevideo für ein Tiefseebergbauunternehmen aufgetreten sein. Der Mangel an Transparenz ist so gravierend, dass die Sitzungen des Rechts- und Technikausschusses der ISA hinter verschlossenen Türen stattfinden und die bereits beschlossenen Verträge vertraulich bleiben. Damit wird die Tiefsee still und heimlich verkauft, ohne dass man sich ernsthaft darum bemüht, sie zu erkunden und zu verstehen, bevor sie von industriellen Bergbaumaschinen in Stücke gerissen wird.
Trotz der fragwürdigen Aktivitäten der ISA haben sich viele Nationen bei den kürzlichen Verhandlungen – und darüber hinaus – klar gegen die Ausbeutung des Meeresbodens ausgesprochen. Chile fordert etwa, den Tiefseebergbau um 15 Jahre aufzuschieben. Die Delegierten erklärten, dass sie nicht damit einverstanden seien, dass im Umgang mit dem Thema die Interessen von Unternehmen denen der Menschheit zuwiderlaufen.
Palau, Fidschi und Samoa haben eine Allianz gegen den Tiefseebergbau ins Leben gerufen und ein Moratorium gefordert. Die Föderierten Staaten von Mikronesien wiesen darauf hin, dass Tiefseebergbau Auswirkungen auf riesige Teile des Ozeans hat: So kann der Lärm einer einzigen Mine bis zu 500 Kilometer weit reichen und verheerende Folgen für bedrohte Meereslebewesen – darunter auch mehrere Arten von Walen – haben.
Wirtschaftlicher Nutzen unklar
Bislang ist nicht klar, ob Tiefseebergbau den Ländern, die ihn unterstützen, nennenswerte Vorteile bringt. Unternehmen wie Google, Volvo, BMW und Samsung, die angeblich große Abnehmer der gewonnenen Metalle wären, haben sich bereits dazu verpflichtet, keine Rohstoffe aus der Tiefsee für ihre Produktion zu beziehen.
Ein wichtiger potenzieller Akteur, The Metals Company, steht derzeit unter ernsthaftem finanziellem Druck und wird von Aktionär*innen angeklagt, die behaupten, das Unternehmen habe „im Wesentlichen falsche und irreführende Angaben“ gemacht. Auch die Tatsache, dass die ISA den ersten Teil der Lizenzgebühren zur Deckung ihrer eigenen Kosten einbehält, bevor Staaten überhaupt etwas von den Einnahmen sehen, schmälert den finanziellen Nutzen weiter.
Die von Nauru festgelegte Zwei-Jahres-Regel bedeutet nicht, dass wir im nächsten Jahr mit dem Bergbau beginnen müssen. Ein Aufschub ist dringend nötig, um sowohl die Auswirkungen des Tiefseebergbaus zu bewerten als auch zu prüfen, ob es tatsächlich eine nachhaltige Möglichkeit gibt, ihn durchzuführen.
Regierungen haben die Wahl
Tiefseebergbau wird wertvolle, unersetzliche Meeresökosysteme potenziell unwiederbringlich zerstören. Das Vorhaben wird derzeit von einem Gremium verwaltet, das dazu nicht in er Lage ist und bereits von vielen Nationen heftig kritisiert wird. Zudem erweisen sich die finanziellen Vorteile als wesentlich geringer, als Bergbauunternehmen ursprünglich behauptet haben.
Die Tiefsee gehört weder der ISA noch den Unternehmen, die sie für kurzfristige Gewinne zerstören wollen. Sie ist ein einzigartiges, kaum erforschtes, faszinierendes Ökosystem, das eine unglaubliche Tierwelt beheimatet und uns dabei hilft, unseren Ozean und unser Klima zu regulieren.
Regierungen haben jetzt die Wahl: Sie können sich dafür einsetzen, dieses Naturwunder zu schützen, ohne die Profitgier einiger weniger Großunternehmen zu stillen – oder sie können die letzte Wildnis unseres Planeten zerstören, damit eine Handvoll Konzerne Gewinn daraus ziehen kann. Es ist Zeit, die richtige Entscheidung zu treffen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei FairPlanet und wird hier mit Erlaubnis erneut veröffentlicht.
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von NOAA, hier reproduziert unter einer Creative Commons Lizenz.
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