Spenden
Dez. 01, 2021

Vom Feuer verwüstet: Die Opfer der türkischen Feuersaison

Von Environmental Justice Foundation Deutschland

Viele Millionen von Menschen leiden bereits unter den Auswirkungen des Klimawandels, bis zur COP27 werden noch so viele mehr hinzukommen. Während die Staats- und Regierungschef*innen versuchen, das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten, wollen wir die Geschichten derer erzählen, die bereits von der Klimakrise betroffen sind. Die COP26 mag vorbei sein, aber die Auswirkungen des Klimazusammenbruchs haben gerade erst begonnen.

„Gegen halb eins weckte mich ein Freund mit den Worten 'Es brennt, wach auf. Heute Nacht kein Schlaf' (...) Von oben kam starker Rauch. Wir hatten Doppelmasken auf, aber sie funktionierten nicht. Asche und verbrannte Kiefernblätter fielen vom Himmel. Wir konnten uns kaum noch sehen. Es war wie ein Nebel. Ich habe auf den Sonnenaufgang gewartet und gebetet.“
– Muhittin Aslan, Oymapınar, Antalya

Ein Land in Flammen

Der zweifache Familienvater Muhittin Aslan lebt und arbeitet seit sieben Jahren in Oymapınar, doch seine Zukunft dort ist jetzt ungewiss. Das Buschfeuer hat ihm sein Zuhause genommen: „Ich erhielt einen Anruf und man erzählte mir, dass das Feuer die gesamte Nachbarschaft erfasst hatte. Einer meiner Freunde sagte, dass auch mein Haus brenne. Ich fragte, ob es vollständig verbrannt sei. Er sagte ja.“

Waldbrände sind den Menschen in Antalya nicht fremd – jedes Jahr gibt es in der Region bis zu 300 von ihnen. Aber die Brände, die am 28. Juli 2021 ausbrachen, waren anders. Die südeuropäische Hitzewelle und die knapp 85 km/h schnellen Winde entfachten über 200 Brände, die im Bezirk Antalya ihren Anfang nahmen, acht Menschen töteten und Häuser in über 59 Stadtteilen zerstörten. All das ist das Ergebnis der Klimakrise, die den Weg für die schlimmste Brandsaison in der Geschichte der Türkei ebnete.

Osman Korkmaz ist ein Landwirt im Ruhestand, der in Sevinçköy, Antalya, lebt, einem der am stärksten von den Bränden verwüsteten Gebiete: „Um 3 Uhr morgens sah ich zu, allein, wie das Gebiet brannte. Es gab nichts, was ich hätte tun können. Ich wartete darauf, dass der Rauch sich legt. Ich wartete darauf, dass ich etwas Platz finden und die Autobahn überqueren könnte. Ich flehte Allah an: Allahim, rette mich. Bitte rette mich, ich bin allein.“

Es gelingt ihm, dem Feuer zu Fuß zu entkommen und wird von einem Auto aus einem Nachbardorf aufgelesen. Als er sicher ist, sagt man ihm: „Onkel Osman, deine Brüder halten dich für tot.“

Der perfekte Sturm

Überall auf der Welt wüteten in diesem Jahr Waldbrände – von den USA über Sibirien bis hin zu Frankreich, der Türkei, Griechenland und Albanien. Die aufgrund der Erderwärmung steigenden Temperaturen, niedrige Luftfeuchtigkeit und fehlenden Niederschläge ideale Voraussetzungen für weite, heftige Brände, die unglaublich schwer einzudämmen sind. Bis zum 5. August diesen Jahres verbrennen in der Türkei 157.482 Hektar Land – das ist fast neunmal so viel wie der Durchschnitt der vergangenen Jahre.

„Vor dem Feuer war hier alles grün. Die Landschaft war wunderschön. Aber jetzt, nach dem Feuer, ist alles schwarz, die Bäume sind nur noch Asche, alles ist weg. Die Lebendigkeit ist weg.“
– Osman Korkmaz, Sevinçköy, Antalya

„Dies war ein Ort, an dem die Natur immer üppig war... doch leider konnten wir die Natur nicht retten. Wir sind im Begriff, die Natur zu zerstören. Wir fällen die ganze Zeit Bäume, der globale Klimawandel ist hier. Aus diesem Grund fängt die Natur an, uns zu schaden. Das Klima verändert sich“, fügt Muhittin hinzu.

Mehr als ein Zuhause

Die Verwüstung, die die Brände in der Türkei hinterlassen haben, ist unvorstellbar. Turkan Cetins ist Hausfrau aus Yaylaalan, Antalya, und Mutter von Zwillingen:

„Wir haben nichts gerettet. Nichts. Stellen Sie sich das vor... Was gibt es doch alles in einem Haus? Die Jugend meines Mannes war in diesem Haus und ich habe vor 30 Jahren in diesem Haus geheiratet. Alles, was wir besaßen, war in diesem Haus. Wir haben nicht einmal eine Nadel mitgenommen. Nach dem Brand wollte ich nach Hause gehen, ich ging hin... Ich hatte nichts zu sagen. Ich schrie und weinte."

Ein Klima der Extreme

Die traurige Wahrheit ist, dass dieses Phänomen der extremen Wetterereignisse, die mit zunehmender Häufigkeit und Schwere auftreten, inzwischen fest etabliert ist. Und die Ereignisse nehmen exponentiell zu: Zwischen 2000 und 2019 gab es 6.681 klimabedingte Katastrophen, fast doppelt so viele wie zwischen 1980 und 1999. Die Beweislage ist eindeutig: Die Brände, Stürme, Überschwemmungen und Dürren sind das Ergebnis des Klimawandels, verursacht von menschlichen Emissionen.

Für Muhittin, Osman und Turkan hat die Klimakrise das Leben, wie sie es kennen, bereits zerstört. Ihre Realität ist eine Momentaufnahme davon, wie eine Zukunft ohne echte Klimaschutzmaßnahmen aussehen wird. Die Lage ist ernst, aber noch ist noch Zeit zu handeln.

Wir können unermessliches und unnötiges menschliches Leid verhindern, indem wir Klimagerechtigkeit durch Taten statt bloß durch Vereinbarungen voranbringen. Das Wissen und die Technologie, die für den Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft erforderlich sind, sind vorhanden. Alles, was jetzt nötig ist, sind echte Taten.

Dieser Blog erschien ursprünglich im Environmental Journal und wird hier mit Genehmigung veröffentlicht.