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Das Pantanal brennt – für Fleisch in unseren Regalen
Nov. 12, 2022

Das Pantanal brennt – für Fleisch in unseren Regalen

Von Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation

Das Pantanal in Südamerika ist ein Feuchtgebiet von globaler Bedeutung. Dennoch sind die Hunderttausenden von Menschen, die direkt von dem Gebiet abhängen, und die einzigartige Tierwelt, die es beheimatet, massiven Bedrohungen ausgesetzt. Die EU muss Maßnahmen ergreifen, um dieses wertvolle und unersetzliche Feuchtgebiet zu schützen: für Umweltgerechtigkeit und für eine sicherere und nachhaltigere Zukunft für die betroffenen Menschen und die Tierwelt.

Das größte tropische Feuchtgebiet der Welt steht in Flammen

Im Jahr 2020 brannte im Pantanal so viel Fläche wie nie zuvor, sodass sich fast ein Drittel des gesamten Ökosystems in Rauch auflöste. Dazu gehörten Schutzgebiete und Teile des Ökosystems, die bisher nie gebrannt hatten. Die Auswirkungen waren schockierend: 17 Millionen Wirbeltiere wurden direkt durch die Brände getötet.

Das hat negative Folgen für die globale biologische Vielfalt: Das Pantanal beherbergt sehr große Populationen von Arten, die in Südamerika selten oder gefährdet sind, darunter Riesenotter und Flachlandtapire. Zudem beheimatet es die höchste Jaguardichte der Welt und die größte Vielfalt an Wasserpflanzen. Umweltschützer*innen wie die Freiwilligen von Chalana Esperança – ein Verband, den die Environmental Justice Foundation nach Kräften unterstützt – arbeiten daran, die Tierwelt im Pantanal zu schützen. Doch diese mutigen Freiwilligen brauchen dringend mehr Unterstützung.

Es ist schwer zu glauben, dass ein Feuchtgebiet so stark von Bränden betroffen sein kann. Forscher*innen stellten fest, dass 80 % der Brände in den Schutzgebieten in einem Umkreis von 10 km von Gebieten mit menschlichen Aktivitäten ausbrachen. Nach Angaben der brasilianischen Bundespolizei, die im Guardian zitiert wird, wurden die Brände vorsätzlich von Viehzüchter*innen gelegt, die weitere Gebiete des wichtigen Feuchtgebiets in Viehweiden umwandeln wollten. Feuerwehrleute berichteten, dass 96-98 % der Brände vorsätzlich gelegt wurden.

Einige Viehzüchter*innen verkauften ihr Vieh an Fleischverarbeitungsriesen wie JBS, Marfrig und Minerva, die das Fleisch an bekannte Unternehmen wie McDonald's, Nestlé und Carrefour weiterverkauften. In den Flammen verlieren indigene Völker, lokale Gemeinschaften und Wildtiere ihre Heimat für Fleisch, das in Supermarktregalen in der EU, dem Vereinigten Königreich oder in den Vereinigten Staaten landen könnte.

Ein Teufelskreis

In der Vergangenheit standen große Teile des Pantanals vier bis acht Monate im Jahr unter Wasser. Doch im Jahr 2020 verwandelten sich ausgetrocknete Flussbette in Feuerkorridore, durch die sich die Flammen ausbreiteten. Diese Brände verwandelten eine wichtige Kohlenstoffsenke in einen Emittenten riesiger Mengen klimaschädlichen Kohlendioxids.

Wissenschaftler*innen haben gezeigt, dass eine gefährliche Spirale in Gang gesetzt wurde; die bisherigen Brände werden zukünftige Feuer wahrscheinlicher machen. Das Pantanal wird immer heißer, trockener und anfälliger für Hitzewellen. Schaffen wir es nicht, Emissionen auf der ganzen Welt drastisch zu senken, könnten die zerstörerischen Brände von 2020 bis zum Jahr 2100 zur Normalität für das Pantanal werden.

Menschenrechte in Gefahr

Im Jahr 2020 versuchte der damalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die Schuld für die Brände im Pantanal auf die indigene Bevölkerung abzuwälzen. Dabei sind die Indigenen diejenigen, deren Menschenrechte angegriffen werden. Eine der indigenen Gemeinschaften, die Guató, erlitt Brandschäden auf 83 % ihres Reservats – laut Satellitendaten entstanden die Feuer außerhalb ihres Landes. Die Brände zerstörten direkt ganze Häuser und Plantagen von Indigenen und Familien am Flussufer. Die Betroffenen verloren ihre Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit, die beide zu unseren grundlegendsten Menschenrechten gehören.

In ganz Brasilien berichtet die indigene Gruppe APIB, dass Gewalt und Verstöße gegen die verfassungsmäßigen Rechte an der Tagesordnung sind. Das Pantanal und die umliegenden Gebiete sind dabei keine Ausnahme. Viehzüchter*innen, Holzfäller*innen und andere dringen dort aggressiv in indigenes Land ein, wohl wissend, dass sie unter Bolsonaros Regierung ungestraft bleiben würden. Nicht einmal das Wasser ist sicher: Quecksilber aus dem Bergbau, landwirtschaftliche Abfälle, Pestizide und andere Schadstoffe aus der Industrie sammeln sich in den Flussläufen nördlich des Feuchtgebiets an und vergiften Tiere und Menschen.

Über 1,2 Millionen Menschen sind für ihre Ernährung, ihren Lebensunterhalt und ihre Wasserversorgung direkt vom Pantanal abhängig, und es unterstützt indirekt viele weitere Menschen, indem es das Überschwemmungsrisiko verringert. Feuchtgebiete sind zudem beträchtliche Kohlenstoffspeicher, die uns vor dem Zusammenbruch des Klimas schützen: Wissenschaftler*innen berichten, dass es Hunderte Jahre dauern könnte, um die Emissionen auszugleichen, die dadurch entstanden sind, dass Teile des Pantanals in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt wurden.

Jedes Land oder jede Gemeinschaft, die nicht jede mögliche Maßnahme zum Schutz des Pantanals ergreift, lässt weiterhin zu, dass schreckliche Menschenrechtsverletzungen und Umweltungerechtigkeiten geschehen und untergräbt weltweit Menschenrechte, während eines unserer Lebenserhaltungssysteme immer weiter verschwindet.

Zeit zu handeln

Das Pantanal verändert sich schnell und wird immer trockener – jede weitere Katastrophe wird somit wahrscheinlicher. Durch immer weniger Wasser und weniger Wildtiere verliert das Ökosystem an Widerstandsfähigkeit. Jedes Stück Land, das von Viehzüchter*innen in landwirtschaftliche Fläche umgewandelt wird, sorgt dafür, dass das Ökosystem dem Zusammenbruch ein Stück näherkommt. Durch die vorsätzliche Zerstörung der Heimat, der Kultur und Geschichte der indigenen Völker des Pantanals werden gleichzeitig genau jene Stimmen zum Schweigen gebracht, die globale Entscheidungsträger*innen jetzt mehr denn je hören sollten.

Angesichts dieser Ungerechtigkeit müssen sich die Politiker*innen der EU für den Schutz des Pantanals einsetzen. In einem ersten Schritt müssen sie den Geltungsbereich ihres bahnbrechenden Gesetzesvorhabens ausweiten, das Produkte aus EU-Lieferketten fernhalten soll, die im Zusammenhang mit Abholzung und Menschenrechtsverletzungen stehen. Das Pantanal wird abgebrannt, um Europa mit Rindfleisch und Leder zu versorgen. Laut den Forscher*innen von Trase führt der Schutz anderer brasilianischer Ökosysteme, die das Pantanal außen vor lassen, dazu, dass die Umweltzerstörung nicht gestoppt, sondern bloß verlagert wird – der Verlust des wertvollen Feuchtgebiets würde dadurch beschleunigt. Wir brauchen dringend konkrete, ehrgeizige und transparente Ziele, um das Pantanal zu schützen.

Noch ist diese Katastrophe vermeidbar. Viele Flächen des Pantanals sind weitgehend intakt, und wenn das Feuchtgebiet den notwendigen effektiven Schutz erhält, kann es sich erholen. Die Abwärtsspirale, die bereits in Gang gesetzt ist, erfordert jedoch umfassende und sofortige Maßnahmen. Unsere Entscheidungsträger*innen müssen handeln – jetzt.

Dieser Artikel erschien im Original bei EUobserver und wird hier mit Erlaubnis erneut veröffentlicht.