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„Wirtschaft hängt zu 100% von der Umwelt ab“
Dez. 04, 2020

„Wirtschaft hängt zu 100% von der Umwelt ab“

Von Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation

EJF-Gründer und Geschäftsführer Steve Trent wurde kürzlich von Vijay Pinjarkar der Times of India interviewt. Sie sprachen unter anderem über den kommerziellen Handel mit Wildtieren, die Verhinderung von Pandemien und wie sich die Welt von Covid-19 erholen kann.

Welche Rolle spielte die Environmental Justice Foundation bei der Bekämpfung der Verbreitung von Covid-19?

Um Pandemien künftig zu verhindern, bevor sie beginnen, führen wir derzeit eine Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch. Der kommerzielle Handel mit Wildtieren wird zunehmend mit Pandemien in Verbindung gebracht – Covid-19 ist hierbei nur der aktuellste Fall. Ziel unserer Kampagne ist es, diesen Handel zu verbieten, denn nur so kann verhindert werden, dass zukünftige Pandemien erneut ein solches Ausmaß annehmen.

Gibt es Beweise dafür, dass Covid-19 vom Tier auf den Mensch übertragen wurde?

Ja, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Virolog*innen, medizinische Fachzeitschriften sowie Expert*innen für Biodiversität sind sich völlig einig: Dieses Virus ist vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Der Ursprung des Virus war ein kommerzieller Wildtiermarkt.

Wie können virusübertragende Tierarten überwacht werden?

Entscheidend ist, dass Wildtierpopulationen ohne erzwungenen, engen Kontakt mit Menschen existieren können. Gesunde Ökosysteme sind entscheidend, um uns vor Pandemien zu schützen. Das Hautproblem bei sämtlichen Erregern – sei es Ebola, HIV oder Covid-19 – ist der enge Kontakt zwischen Menschen und Tieren. Gerade deshalb ist es so wichtig, natürliche Lebensräume wiederherzustellen und zu schützen, wo immer wir können.

Welchen Einfluss hat Covid-19 auf die Naturschutz- und Umweltpolitik?

Einige Länder, darunter China und Vietnam, haben Beschränkungen für den Handel mit Wildtieren erlassen und neue Gesetze zu ihrem Schutz eingeführt. Da diese Gesetze allerdings nicht weit genug gehen, werden sie nicht die gewünschte Wirkung haben. So ist es zum Beispiel immer noch erlaubt, Wildtiere als Haustiere zu halten oder sie für die Produktion medizinischer Produkte zu verwenden und zu verkaufen. Eine solch schwache Gesetzgebung wird nicht verhindern, dass illegal gefangene Tiere in Lieferketten geschmuggelt werden können.

Der illegale Wildtierhandel treibt bereits jetzt das Aussterben vieler Arten voran. Wir müssen uns endlich ernsthaft mit Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, auseinandersetzen. Das bedeutet, die Zerstörung der Erde zu verhindern – angefangen bei kommerziellen Wildtiermärkten – und Lebensräume wilder Tiere wiederherzustellen und zu schützen.

Welche politischen Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Bedrohung durch solche Infektionskrankheiten zu bekämpfen?

Es ist ganz einfach – Vorsorge ist besser als Nachsorge. Wenn Covid-19 nicht auf den Menschen übertragen worden wäre, gäbe es heute nicht Millionen von Tote durch dieses Virus und die Weltwirtschaft stünde nicht vor einem Schaden von Billionen von Dollar.

Der erste Schritt muss sein, kommerzielle Märkte für Wildtiere unwiderruflich zu schließen und gegen den illegalen Handel mit diesen Tieren vorzugehen. Entwaldung, Massentierhaltung sowie die Zerstörung und Ausbeutung der Natur durch den Menschen müssen bekämpft werden. Der Wiederaufbau nach Covid-19 unter einem "grünen" Wirtschaftsaufschwung wird mehr als alle anderen Maßnahmen dazu beitragen, künftige Pandemien zu verhindern. Ökologische Maßnahmen werden oft als "Kostenfaktor" dargestellt, dabei würden wir in Zukunft deutlich mehr Kosten einsparen, wenn wir diese Maßnahmen jetzt schon ergreifen.

Ist die großflächige Entwaldung für die Ausbreitung von Covid-19 verantwortlich?

Nicht direkt, die Beweise deuten darauf hin, dass der Ursprung der Pandemie von einem Wildtiermarkt in Wuhan stammt. Rodungen erleichtern es allerdings, dass viele verschiedene Wildtierarten überhaupt erst auf solchen Märkten landen können. Die Zerstörung von Wäldern ist einer der Schlüsselfaktoren, die Pandemien in der Vergangenheit verursacht haben und auch in Zukunft verursachen werden.

Expert*innen zufolge gibt es 1,7 Millionen unentdeckte Viren bei Tieren, von denen 827.000 den Menschen infizieren könnten. Der Kontakt zu diesen Viren wird durch Faktoren wie Wildtiermärkte, Waldrodung und intensive Landwirtschaft zusätzlich erhöht. Diese machen eine weitere Pandemie sehr viel wahrscheinlicher. Um ein "Zeitalter der Pandemien" zu verhindern, müssen wir unser Verhältnis zur Natur grundlegend ändern.

Was muss für eine "Green Recovery" nach der Corona-Krise getan werden?

Führungskräfte in Politik und Wirtschaft müssen erkennen, dass die Wirtschaft zu 100% von der Umwelt abhängt. Covid-19 hat uns gezeigt, dass die gnadenlose Ausbeutung der Natur schwerwiegende Folgen für uns hat. Das enorme Leid, das Covid-19 verursacht, verblasst jedoch hinsichtlich der bevorstehenden Auswirkungen der Klimakrise und der Vernichtung der Artenvielfalt.

Eine echte, nachhaltige und "grüne" Erholung von Covid-19 sollte mindestens die Erfüllung der Ziele des Pariser Abkommens beinhalten. Zusätzlich muss der Übergang zu einer globalen Kreislaufwirtschaft eingeläutet und Entwaldung gestoppt werden. Kommerzielle Wildtiermärkte müssen verboten und die Ausbeutung der Natur beendet werden. Die positiven Veränderungen werden nicht nur hinsichtlich gesundheitlicher Vorteile spürbar sein. Ein grüner Aufschwung wird für blühende Volkswirtschaften und einen sicheren Planeten für uns alle sorgen.

Dieses Interview erschien ursprünglich auf der Website von Times of India und wird hier mit Erlaubnis veröffentlicht.