Fehlende Kontrollen ermöglichen schweren Missbrauch in Taiwans Flotte
Gewaltsamer Missbrauch von Wanderarbeitern und illegale Fischerei sind systemische Probleme in Taiwans Fernfischereiflotte. Dies hat eine neue EJF-Befragung der Besatzung von 62 Schiffen ergeben. Crew-Mitglieder gaben an, körperlich misshandelt worden zu sein; rund 92% berichteten, dass ihre Gehälter einbehalten wurden. An Bord der Hälfte der Schiffe wurden Haien die Flossen abgeschnitten und ihre toten Körper zurück ins Meer geworfen.
Zwischen August 2018 und November 2019 befragte EJF insgesamt 71 indonesische Fischer, die auf 62 taiwanesischen Schiffen tätig waren. Arbeiter von fast einem Viertel der Schiffe berichteten über gewalttätige körperliche Misshandlungen, wobei sie meist vom Kapitän oder einem leitenden Besatzungsmitglied getreten und geschlagen wurden.
Ein Mann aus Indonesien – Supri – wurde vom Kapitän in eine Gefriertruhe gesperrt, nachdem er nass aus der Dusche kam. Auf der gleichen Reise wurde er auf Befehl des Kapitäns von einem Kollegen mit einem Elektroschocker gequält. Das Gerät wird üblicherweise eingesetzt, um Fische zu töten.
"Es war so kalt. Ich rief 'Kapitän! Kapitän!' und flehte ihn an, die Tür zu öffnen. Ich trat dagegen, aber er hielt sie verschlossen. Ich hatte Angst, Angst vor dem Tod. Wenn ich sterbe, wer kümmert sich dann um mein Kind und meine Frau?"
– Supri, indonesisches Crew-Mitglied
Von 92% der befragten Besatzungsmitglieder wurden die Löhne einbehalten; 82% machten exzessive Überstunden. Viele Fischer berichteten, dass sie bis zu 20 Stunden pro Tag arbeiten mussten und nur sehr wenig Zeit zum Ausruhen hatten.
Die Systematik der Probleme zeigt die Notwendigkeit einer Reihe von Reformen, die nach Ansicht vieler NGOs dringend erforderlich sind – darunter die Einführung von Kameras auf Schiffen. Trotz jüngster Äußerungen der taiwanesischen Regierung, wichtige internationale Standards übernehmen zu wollen, operieren viele Schiffe derzeit nur unter begrenzter Aufsicht: Mehr als drei Viertel der von Taiwans Fischereiflotte genutzten Überseehäfen haben keine taiwanesischen Inspektoren vor Ort.
Wildtiere gefangen und getötet
Die Misshandlung der Besatzung ging einher mit einer eklatanten Ausbeutung von Meerestieren sowie der offensichtlichen Missachtung bestehender Gesetze.
Geschützte Delphin-Arten wurden mit Harpunen gejagt und als Köder für den Fang von Haifischen ein. Arbeiter von acht der untersuchten Schiffe berichteten von diesen Praktiken. Die Besatzung der Hälfte der Schiffe erzählte von illegalem "Finning" von Haien und dem anschließenden Zurückwerfen der toten Tiere. Auf sieben der Schiffe meldete die Crew den Fang sowie die Tötung von kleinen Schwertwalen.
Die Ergebnisse von EJF bauen auf einem von Greenpeace East Asia im März 2020 veröffentlichten Bericht auf, der "mutmaßliche Zwangsarbeit und Umweltzerstörung" auf taiwanesischen Schiffen dokumentierte.
Auch der im vergangenen Monat vom US-Außenministerium veröffentlichte Bericht zum Menschenhandel im Jahr 2020 gab Anlass zu ernster Besorgnis: "Wanderarbeiter berichteten, dass leitende Besatzungsmitglieder Zwangsmaßnahmen wie die Androhung physischer Gewalt, Schläge, das Vorenthalten von Nahrung und Wasser, die Einbehaltung von Ausweispapieren, Lohnabzüge sowie die außervertragliche obligatorische Beteiligung an den Betriebskosten der Schiffe anwenden." Der Bericht stellte ebenfalls fest, dass "unzureichende Personalausstattung und Inspektionsprotokolle die Bemühungen zur Bekämpfung der Zwangsarbeit auf Fischereifahrzeugen unter taiwanesischer Flagge und in taiwanesischem Besitz in der äußerst anfälligen Fernflotte weiterhin behinderten." Obwohl diese Feststellungen nicht zu einer Herabstufung Taiwans im Bewertungssystem des Berichts führten, weisen sie auf die dringende Notwendigkeit von Reformen hin.
Der Weg nach vorn
Die Untersuchung von EJF zeigt, dass Menschenrechtsverletzungen und illegale Fischerei in Taiwans Fernflotte immer noch weit verbreitet sind. Die Ausbeutung von Arbeitern sowie äußerst zerstörerische, illegale Fischereipraktiken finden inmitten rasch abnehmender Fischbestände statt.
Taiwan hat wichtige rechtliche Schritte unternommen, um Arbeiter zu schützen und das Abtrennen von Haifischflossen sowie das Töten von Walen zu verbieten. Diese Gesetze sind jedoch nutzlos, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Gegenwärtig operieren Schiffe weit draußen auf See, mit wenig oder gar keiner Aussicht auf Kontrollen und ohne zuverlässige Mechanismen zur Überprüfung ihrer Fänge. Dies muss dringend geändert werden.
Um den Missbrauch auf See zu bekämpfen, muss Taiwan grundlegende Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz in seiner Fischerei ergreifen – so etwa die Anerkennung und Umsetzung von EJFs Charta für Transparenz – und sicherstellen, dass die Gesetze durchgesetzt werden.
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