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Auf See – und in Lebensgefahr

„Es war 3:30 Uhr, als ich sprang. Es gab zwei Möglichkeiten: Wir würden entkommen, oder man würde uns töten. Es machte keinen Unterschied. Wir arbeiteten, um ihnen zu dienen, und wir konnten nicht weitermachen. Also sprang ich ins Meer."

Dies sind die Worte eines Mannes, den wir Ko Myo* nennen. Ko ist ein burmesischer Arbeiter, der auf ein thailändisches Fischerboot geschmuggelt und dann auf See festgehalten wurde. Dort war er seinem folternden Kapitän schutzlos ausgeliefert.

Kos Geschichte ist kein Einzelfall. Weil Fischpopulationen zusammenbrechen und skrupellose Schiffseigner versuchen, ihre Profite durch unterbezahlte Arbeit oder Sklaverei aufrechtzuerhalten, werden weltweit Tausende von Wanderarbeitern auf Fischereifahrzeuge verschleppt. Einmal auf See, fernab von Kontrollen und Behörden, sind sie höllischen Bedingungen ausgesetzt.

Das Ganze konnte auf zwei Arten enden: Wir würden entkommen, oder man würde uns töten.

Ko Myo*, burmesischer Arbeiter auf einem thailändischen Schiff

Eine Studie des Inter-Agency Project on Human Trafficking (UNIAP) der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2009 ergab, dass 59% der an Bord thailändischer Fischereifahrzeuge befragten Opfer von Menschenhandel angaben, Zeuge des Mordes an einem Arbeitskollegen gewesen zu sein.

Ermittlungen der Environmental Justice Foundation haben Fälle von Sklaverei, Schuldknechtschaft, körperlichem und sexuellem Missbrauch und sogar Mord an Bord von Fischereifahrzeugen aus aller Welt aufgedeckt.

Tun Myint* wurde von der Polizei aufgegriffen, nachdem er von dem Fischereifahrzeug entkam, auf das er verschleppt worden war. Anstatt ihm zu helfen, verkauften ihn die Beamten an die gleiche Firma zurück. Im März 2017 wurde der Firmeninhaber wegen des Handels mit Wanderarbeitern auf Fischereifahrzeugen zu einer Gefängnisstrafe von 14 Jahren verurteilt.

Ich arbeite seit drei oder vier Jahren auf dem Boot.

Arbeiter an Bord eines thailändischen Fischtrawlers

Umladung auf See

Unkontrollierte Umladungen auf See ermöglichen es, illegal gefangenen Fisch mit legalen Fängen zu vermischen und so die Herkunft zu verschleiern. Gleichzeitig kann eine Besatzung monate- oder sogar jahrelang an Bord behalten werden. Zu fliehen ist dadurch fast unmöglich.

EJF sprach mit einem verschleppten Arbeiter an Bord eines thailändischen Fischtrawlers. Er lieferte Koordinaten für den entlegenen Ort, an dem eine vierzehntägige Umladung stattfand, sodass unser Team Abläufe und Entwicklungen dokumentieren sowie die Behörden alarmieren konnte.

Im Rahmen einer weiteren EJF-Untersuchung berichteten Arbeiter, dass sie gezwungen wurden, Verträge zu unterzeichnen, die in chinesischer Sprache verfasst sind und die sie nicht lesen können. Sie müssen sich Geld von Vermittlern leihen, um Reise-, Arzt- und Verwaltungskosten zu decken. Dieses Geld wird von ihren mageren Gehältern während der Laufzeit ihrer Verträge – die Jahre dauern kann – zurückgezahlt.

Diese Arbeiter werden so Opfer von Schuldknechtschaft und fühlen sich gezwungen, weiter zu arbeiten – unabhängig davon, wie sie behandelt werden oder wie die Umstände an Bord ihrer Schiffe sind. Viele fürchten um die Sicherheit ihrer Angehörigen zu Hause, die manchmal bedroht werden, wenn Schulden nicht bezahlt werden.

Bleibende Schäden

Marwen* wurde 2016 auf ein taiwanesisches Schiff geschleust. In einer Unterkunft für Opfer von Menschenhandel in Taipeh zeigt er die Verletzungen, die ihm an Bord zugefügt wurden. Nach einem Unfall musste er tagelang weiterarbeiten. An seiner Hand erlitt er bleibende Schäden.

Supri stammt aus Indonesien und arbeitete an Bord eines taiwanesischen Schiffes. Sein Kapitän sperrte ihn in eine Gefriertruhe, nachdem er aus der Dusche kam.

"Es war so kalt. Er tat das mit Absicht. Ich rief 'Kapitän! Kapitän!' und flehte ihn an, die Tür zu öffnen. Ich trat dagegen, aber er hielt sie verschlossen. Ich hatte Angst, Angst vor dem Tod."

Auf der gleichen Reise wurde Supri auf Befehl des Kapitäns von einem Crew-Mitglied mit einem Elektroschocker gefoltert. Das Gerät wird üblicherweise eingesetzt, um Fische zu töten.

Ich hatte Angst, Angst vor dem Tod. Wenn ich sterbe, wer kümmert sich dann um mein Kind und meine Frau?

Supri, indonesischer Arbeiter an Bord eines taiwanesischen Schiffes

Die einzelnen Berichte von Missbrauch, Menschenhandel und Sklaverei sind erschreckend. Doch es ist der systemische Charakter dieser Verbrechen, der bekämpft werden muss. Die erste und wirksamste Maßnahme, um das zu tun, ist denkbar einfach: Transparenz.

  • Wenn Regierungen Einzelheiten darüber veröffentlichen würden, welche Schiffe einerseits legal im Einsatz sind und welche Strafen sie andererseits für Menschenrechtsverletzungen auf See oder illegale Fischerei verhängen, hätten Verbraucher*innen ein klareres Bild davon, was auf unseren Ozeanen geschieht. Dies könnte sich letztlich auch auf ihre Kaufentscheidungen auswirken.
  • Wenn die Umaldung von Fisch und Meeresfrüchten auf See verboten wäre oder sehr sorgfältig überwacht würde, könnten skrupellose Unternehmer ihre Arbeiter nicht länger unbezahlt für Monate oder Jahre auf See gefangen halten.

Die Geschichten, die uns diese Männer erzählt haben, sind erschütternd. Aber sie müssen gehört werden. Verbraucher*innen, Verarbeitende, Einzelhändler und politische Entscheidungsträger*innen – sie alle müssen ihren Teil dazu beitragen, der Zerstörung mariner Ökosysteme und Verletzungen der Menschenrechte auf See ein Ende zu setzen.

*Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert

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