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Wieso wir gerade jetzt transparente Lieferketten brauchen
Apr. 16, 2020

Wieso wir gerade jetzt transparente Lieferketten brauchen

Von Environmental Justice Foundation Deutschland

"Wer hat den Fisch auf meinem Teller gefangen?" Diese Frage ist nicht immer leicht zu beantworten. Um sicherzustellen, dass die Produkte, die wir kaufen, legal, ethisch und nachhaltig sind, müssen Fischerei und globale Lieferketten transparenter werden – gerade jetzt, da in Zeiten von COVID-19 Ernährungssicherheit und stabile Lebensgrundlagen wichtiger sind als je zuvor.

Fisch und Meeresfrüchte sind bei Verbraucher*innen in Deutschland sehr beliebt. Doch weder der relativ kleine heimische Fischereisektor noch die Gewässer der EU reichen aus, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Nur 25% unseres jährlichen Gesamtverbrauchs an Fisch und Meeresfrüchten stammen tatsächlich aus Deutschland.

Aus diesem Grund werden große Mengen aus der ganzen Welt importiert – vor allem aus Asien, aber auch aus Norwegen und anderen EU-Ländern. Insgesamt ist Deutschland weltweit der sechstgrößte Importeur von Fisch, Fischprodukten und Meeresfrüchten: 2019 importierten wir hierzulande fast 162.000 Tonnen.

Undurchsichtige Lieferketten

Aufgrund der starken Abhängigkeit von Importen spielt Deutschland eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Kontrollmaßnahmen für Importe – insbesondere aus Entwicklungsländern – um zu verhindern, dass illegal gefangener Fisch auf den deutschen und damit auf den EU-Markt gelangen. Doch was die Herkunft eines Fischereiprodukts sowie die Fangbedingungen betrifft, tappen Verbraucher*innen häufig im Dunkeln.

Illegale Fischerei und moderne Sklaverei gedeihen im Verborgenen und entziehen sich damit der Kontrolle durch Regierungen und Industrie. Wirksame Importkontrollen sind zeitaufwendig und schwierig durchzuführen. Verlässliche Daten darüber, wo und wie viele Fischereifahrzeuge auf den Weltmeeren operieren und wer auf diesen Schiffen arbeitet, liegen kaum vor. Diese Undurchsichtigkeit sowie mangelnde Kontrollen begünstigen die illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei – auch IUU-Fischerei.

Handfeste Beweise

Untersuchungen der EJF haben weltweit eine Vielzahl illegaler, unethischer und nicht nachhaltiger Fischereipraktiken aufgedeckt. Wir dokumentierten zahlreiche Fälle von Menschenhandel, Sklaverei, Kinderarbeit, körperlichem und sexuellem Missbrauch und sogar Tötungen auf Fischereifahrzeugen in 13 Ländern auf drei Ozeanen.

Diese Untersuchungen zeigen, dass es teilweise fast unmöglich ist, illegale Schiffsbetreiber eindeutig zu identifizieren und die legale Herkunft von Fisch und Meeresfrüchten zu bestimmen. Dies kann dazu führen, dass illegal gefangener Fisch in internationale Lieferketten gelangt – und damit auch auf unseren Tellern landet.

Lösungen sind vorhanden

Transparenz ist der Schlüssel, um illegale Fischerei und die damit oft einhergehenden schrecklichen Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen. Aus diesem Grund hat EJF im vergangenen Jahr einen Leitfaden für Unternehmen entwickelt, damit sie ihre Lieferketten überprüfen und Risiken für Produkte aus illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter (IUU-)Fischerei verringern können.

Darüber hinaus richtet sich EJFs Charta für Transparenz mit klaren Richtlinien an deutsche Einzelhändler. Sie können ihre Stimme und ihren Einfluss zu nutzen, um Regierungen weltweit zu ermutigen, diese zehn einfachen, kostengünstigen und technologisch durchführbaren Maßnahmen umzusetzen, um illegale Fischerei und Missbrauch auf See langfristig zu bekämpfen.

Petition an deutschen Einzelhandel

In diesem Jahr haben wir in Deutschland eine große Kampagne gestartet. Sie richtet sich an Konsument*innen in Deutschland und fordert sie auf, unsere Petition an die großen, deutschen Supermärkte zu unterzeichnen. Die gleiche Kampagne wurde von EJF bereits in Großbritannien erfolgreich durchgeführt: Fünf große Einzelhändler, die gemeinsam den Großteil des Umsatzes der Lebensmittelindustrie im Vereinigten Königreich generieren, unterzeichneten unsere Charta.

Die aktuelle Corona-Pandemie verdeutlicht, wie schnell die Weltwirtschaft durch eine Krise erschüttert werden kann. Gerade jetzt sind Ernährungssicherheit und stabile Lebensgrundlagen wichtiger denn je – transparente und nachhaltige Fischerei kann dazu beitragen, diese auch weiterhin zu gewährleisten.