Spenden
Tiefseebergbau stoppen
Meere

Tiefseebergbau stoppen

Eine neue Industrie bedroht den größten Lebensraum der Erde

Eine neue Industrie bedroht unseren Ozean: Tiefseebergbau droht empfindliche Meeresökosysteme, wertvolle Lebensräume und unentdeckte Arten zu auszulöschen – mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Gesundheit unseres Planeten, für lokale und indigene Gemeinschaften und für künftige Generationen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Rohstoffkonzerne die Tiefsee ausbeuten, obwohl sich Regierungen, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und sogar Unternehmen, die angeblich davon profitieren würden, dagegen positionieren. Tiefseebergbau muss gestoppt werden, bevor er beginnt.

Tiefseebergbau muss gestoppt werden

Noch ist die Tiefsee ein Ökosystem, das von menschlichen Aktivitäten beinahe unberührt ist. Sie macht mehr als 95 % der Biosphäre der Erde aus und ist das Zuhause einer atemberaubenden Vielfalt an Leben, die sonst nur in Korallenriffen und tropischen Wäldern zu finden ist. Wir alle sind von der Tiefsee abhängig; sie ist die Grundlage für alle Meeresökosysteme und spielt eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf.

Trotz erheblicher Forschungslücken über seine Auswirkungen, könnte sich Tiefseebergbau zur größten Bergbauoperation in der Geschichte der Menschheit entwickeln. Er würde die empfindliche Umwelt der Tiefsee erheblich stören, mit verheerenden Folgen für unseren Ozean, die Tier- und Pflanzenwelt und die Menschen, die auf beides angewiesen sind.

Ohne ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse über die Tiefsee, können wir keine Aussagen über die exakten Umweltfolgen durch Tiefseebergbau treffen. Die überwältigende Mehrheit aktueller Untersuchungen deutet jedoch darauf hin, dass die Folgen gravierend sein könnten. Die einzige Gewissheit, die wir aktuell aus wissenschaftlicher Sicht haben, ist, dass wir nicht annähernd genug über die Tiefsee wissen, um auszuschließen, dass sie durch den Abbau von Mineralien irreparabel geschädigt wird.

Die Environmental Justice Foundation (EJF) fordert die internationale Gemeinschaft auf, den überstürzten Abbau von Mineralien in der Tiefsee zu verhindern:

  • Kommerziellen Tiefseebergbau stoppen. Die internationale Gemeinschaft, insbesondere Regierungen und Unternehmen, sollten sämtliche Anstrengungen unternehmen, um den Abbau von Mineralien in der Tiefsee zu verhindern. In den Tiefen der Meere befinden sich einige der artenreichsten und empfindlichsten Ökosysteme der Erde. Alle bisher gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von Tiefseebergbau für das Ökosystem der Tiefsee verheerend sein werden, mit immensen Risiken für die Gesundheit des gesamten Ozeans und den Nutzen, den er den Menschen bietet. Angesichts der akut voranschreitenden globalen Erwärmung ist eine sorgfältige Prüfung der möglichen Auswirkungen des Tiefseebergbaus auf den Kohlenstoffkreislauf dringend erforderlich.
  • Aufstockung der Investitionen in Tiefseeforschung zum Schutz des Ozeans und des Klimas. Kritische Lücken in unserem Verständnis der Tiefsee verhindern eine fundierte wissenschaftliche Entscheidungsfindung. Die internationale Gemeinschaft sollte die wissenschaftliche Erforschung der Tiefsee unterstützen und fördern, um unser Wissen über ihre Funktionsweise, ihre reiche biologische Vielfalt und die von ihr erbrachten Ökosystemleistungen, einschließlich ihrer Rolle im Kohlenstoffkreislauf, zu verbessern.
  • Reform der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Es ist dringend notwendig, die Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Entscheidungsfindung in der ISA zu verbessern – unter anderem durch den Zugang zu Informationen und Möglichkeiten für eine sinnvolle Beteiligung der Öffentlichkeit an den Beratungen ihres Rechts- und Fachausschusses (Legal and Technical Comission, LTC) – und potenzielle Interessenkonflikte durch ein unabhängiges regelmäßiges Überprüfungsverfahren zu lösen. In Ermangelung eines wissenschaftlichen Ausschusses und in Anbetracht des klaren Auftrags der ISA, die Meeresumwelt zu schützen, sollte die Zusammensetzung der LTC reformiert werden, um das Fachwissen in Meeresbiologie und -erhaltung deutlich zu erhöhen. Während diese Reformen sofort umgesetzt werden können und dazu beitragen werden, die bisher festgestellten erheblichen Mängel in der Verwaltung zu beheben, ist eine umfassendere Überarbeitung der ISA-Strukturen und -Verfahren erforderlich, einschließlich der Kriterien für die Wahl der Mitglieder des ISA-Rates und des Verfahrens für die Genehmigung von Anträgen auf Erkundung und Ausbeutung. Solange keine glaubwürdigen, transparenten und unabhängigen Verwaltungsstrukturen existieren, können keine legitimen Entscheidungen über Tiefseebergbau im Interesse der gesamten Menschheit getroffen werden.
  • Schutz der biologischen Vielfalt in der Tiefsee. In Übereinstimmung mit Ziel 3 des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework müssen die Regierungen bis 2030 mindestens 30 % der Meere – einschließlich der nationalen und Küstengewässer sowie der Hohen See – als ökologisch repräsentative, vollständig oder stark geschützte Meeresgebiete (MPAs) ausweisen und die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um deren Überwachung und vollständige Durchsetzung zu gewährleisten. Eine rasche Einigung auf ein starkes, umfassendes und rechtsverbindliches Hochseeabkommen mit hohen Schutzstandards für Meeresökosysteme in Gebieten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit, auch durch die Einrichtung wirksamer MPAs auf Hoher See, ist entscheidend, um dies zu erreichen.
  • Investitionen in und Umsetzung von Lösungen für eine effektive Kreislaufwirtschaft. Unsere Volkswirtschaften funktionieren immer noch vorwiegend nach einem linearen Wirtschaftsmodell, das auf dem Konzept unendlicher Ressourcenausbeutung beruht, um unseren grenzenlosen Konsum zu decken. Um die Abhängigkeiten von neuen Rohstoffquellen zu reduzieren und die exzessive Ausbeutung von Bodenschätzen zu stoppen, müssen sowohl Regierungen als auch die Industrie dringend zu einer wirklich nachhaltigen und kreislauforientierten Wirtschaft übergehen. Dazu gehören die Förderung und Umsetzung groß angelegter Programme für die Wiederverwendung und das Recycling von Elektronik sowie die Verlängerung der Produktlebenszyklen. Investitionen in Energieeffizienz und den öffentlichen Nahverkehr müssen gesteigert werden, um den Bedarf an ressourcenintensiver Energieinfrastruktur zu verringern. Es sollte verstärkt in technologische Innovationen investiert werden, z. B. in die Entwicklung weniger ressourcenintensiver Batterien, um den Übergang zu sauberer Energie zu unterstützen. Die Einführung verbindlicher Verpflichtungen für das Recycling und die Sammlung von Batterien, die Etablierung der Verlängerung von Produktlaufzeiten sowie die Einführung und Durchsetzung von Zielvorgaben für die Rückgewinnung von Metallen und eine erweiterte Herstellerverantwortung werden die Nachfrage nach neuen Rohstoffen senken und unseren Ressourcenbedarf mit den planetarischen Grenzen in Einklang bringen.

Wichtige Botschaften & Sichtweisen

Wir teilen die Stimmen von Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen indigener Gemeinschaften und der Zivilgesellschaft, die ihre Bedenken gegenüber Tiefseebergbau äußern:

In unserer Vorstellung ist die Tiefsee häufig eine karge, lebensfeindliche Umgebung, die aus Sand und Felsen besteht. Die Realität ist jedoch eine vollkommen andere: In der Tiefsee wimmelt es an Leben.

Dumbo-Oktopus © NOAA Office of Ocean Exploration and Research, 2019 Southeastern U.S. Deep-sea Exploration

Heimat einer unglaublichen Artenvielfalt

In unserer Vorstellung ist die Tiefsee häufig eine karge, lebensfeindliche Umgebung, die aus Sand und Felsen besteht. Die Realität ist jedoch eine vollkommen andere: In der Tiefsee wimmelt es an Leben. Der kleine Bereich, der von Menschen bisher erforscht wurde, beheimatet zum größten Teil Arten, die für die Wissenschaft neu sind. In der Clarion-Clipperton-Zone des Pazifischen Ozeans, wo ein großer Teil des Mineralienabbaus stattfinden soll, sind schätzungsweise 70-90 % der bislang registrierten Arten für die Wissenschaft neu. Forschende gehen davon aus, dass in den Tiefen der Meere zwischen 500.000 und 10 Millionen Arten existieren – eine Biodiversität, die mit der von tropischen Regenwäldern gleichzusetzen ist.

In den tiefsten Teilen der Tiefsee funktioniert das Leben anders: Die Fauna lebt unter enormem Druck in einer äußerst stabilen Umgebung innerhalb eines sehr engen Temperaturbereichs. Einige Tiefseearten haben lange Lebenszyklen und langsame Wachstumsraten. Der Grönlandhai zum Beispiel taucht bis auf etwa 1.200 Meter Tiefe, wird erst mit etwa 150 Jahren geschlechtsreif und hat eine Lebenserwartung von mindestens 270 Jahren. Darüber hinaus haben Wissenschaftler*innen Korallen mit einer Lebensdauer zwischen 450 und 4.265 Jahren entdeckt, während einige Schwämme erstaunliche 11.000 Jahre alt werden können. Damit sind sie die ältesten lebenden Tiere, die jemals entdeckt wurden.

Unberührt & unerforscht

Die Tiefsee – Meeresgebiete unterhalb von 200 Metern Tiefe – erstreckt sich auf zwei Drittel des Meeresbodens und umfasst mehr als 95 % des Lebensraums der Erde. Dennoch weiß die Wissenschaft mehr über die Oberfläche des Mondes als über die Oberfläche der Tiefsee.

Schätzungsweise wurden bisher weniger als 0,01 % des Tiefseebodens detailliert wissenschaftlich untersucht. 98 % der Meeresorganismen sind am Meeresboden beheimatet und bei nahezu jedem Tauchgang zum Boden der Tiefsee entdecken Wissenschaftler*innen neue Arten.

Chimaera © NOAA Office of Ocean Exploration and Research, 2019 Southeastern U.S. Deep-sea Exploration

Leben ohne Sonnenlicht

Weil es in der Tiefsee kein Sonnenlicht gibt, haben viele Tiere die Fähigkeit entwickelt, biochemisch erzeugtes Licht auszusenden. Biolumineszenz ist in der Tiefsee für die Kommunikation, die Fortpflanzung, die Verteidigung gegen Raubtiere und den Beutefang von entscheidender Bedeutung. Außerdem wird angenommen, dass sie die Entstehung neuer Arten fördert. Parallel dazu haben Tiefseefische ein hochsensibles Sehvermögen entwickelt und verfügen über die komplexesten Augen, die bei Wirbeltieren beobachtet wurden. In den eisigen Tiefen des Südlichen Ozeans haben Forschende außerdem Fische entdeckt, die über ein "Gefrierschutz"-Protein verfügen, das ihnen das Überleben bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ermöglicht.

Auch wenn in der Tiefsee keine Photosynthese möglich ist, kann die Primärproduktion organischer Stoffe dennoch durch einen Prozess stattfinden, der als Chemosynthese bekannt ist: Einige Bakterien haben die Fähigkeit, mineralischen Kohlenstoff zu binden und in organischen Kohlenstoff umzuwandeln, der von anderen Organismen als Energiequelle genutzt werden kann. Röhrenwürmer, Garnelen, Muscheln und viele andere Arten, die sich in der Nähe von Hydrothermalquellen aufhalten, sind auf chemosynthetische bakterielle Symbionten als Nahrungsquelle angewiesen. Da diese Organismen wiederum von Raubtieren gefressen werden, unterstützen chemosynthetische Bakterien eine ganze Nahrungskette.

Seeberge - wo kobaltreiche Krusten geerntet werden - beherbergen reiche und vielfältige ökologische Gemeinschaften mit Korallen, Schwämmen, Federsternen und einer Fülle von pelagischen Fischen. Sie sind wichtige Sammel-, Brut-, Nahrungs- und Rastgebiete für emblematische Arten wie Wale, Haie und Schildkröten und dienen wandernden Arten als Orientierungspunkte.

Schätzungen zufolge existieren in der Tiefsee zwischen 500.000 und 10 Millionen Arten – eine Biodiversität, die mit der von tropischen Regenwäldern gleichzusetzen ist.

Snelgrove, P. V. R. & Smith, C. R. (2002). A Riot of Species in an Environmental Calm: The Paradox of the Species-Rich Deep-Sea Floor

Octopod © NOAA Ocean Exploration, 2021 ROV Shakedown

Rolle im Kohlenstoffkreislauf

Der Ozean, insbesondere die Tiefsee, spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des globalen Klimas und der Abschwächung der Auswirkungen der globalen Erwärmung. Im Ozean ist nahezu das gesamte globale Kohlendioxid (98 %) gelöst; gleichzeitig speichert er 90 % der durch Treibhausgase erzeugten überschüssigen Wärme und sichert damit das Überleben sämtlicher Arten auf der Erde – die Menschheit eingeschlossen.

Während der überwiegende Teil dieses Kohlenstoffs im Meerwasser in gelöster Form verbleibt, lagert ein erheblicher Teil in den Sedimenten des Meeresbodens, wobei 80 % des gesamten in den Meeressedimenten gespeicherten Kohlenstoffs auf Tiefseesedimente entfallen. Die Einlagerung von organischem Kohlenstoff in den Sedimenten des Tiefseebodens ist dabei von entscheidender Bedeutung und trägt zur Regulierung des atmosphärischen CO2 bei, wodurch das Gleichgewicht des Weltklimas aufrechterhalten wird. Tiefseesedimente speichern bis zu fünfmal mehr Kohlenstoff als Meeressedimente in flachen Gewässern. Die Fähigkeit des Meeresbodens, Kohlenstoff zu binden, übertrifft die des Erdbodens, wobei der oberste Meter doppelt so viel Kohlenstoff speichern kann.

Kohlenstoff gelangt durch einen Mechanismus in den Meeresboden, der als biologische Pumpe bekannt ist: Organische Stoffe werden an der Meeresoberfläche gebildet, vor allem durch Phytoplankton, und sinken entweder zu Boden oder werden von Fischen, Salpidae – im offenen Ozean lebende Manteltiere – und anderen Organismen aktiv über die Nahrungskette in die Tiefe transportiert. Auf diese Weise setzt sich organisches Material, einschließlich Exkrementen und Kadavern, auf dem Meeresboden ab, wo es von der örtlichen Fauna und Bakterien verzehrt und zersetzt und in das Sediment eingelagert wird. So kann ein einziger toter Wal zum Beispiel bis zu 33 Tonnen Kohlenstoff in seinem Leben binden, das letztendlich in der Tiefsee gespeichert wird.

Obwohl sich die Wissenschaft über die grundlegende Rolle der Tiefsee für die Klimaregulierung einig ist, müssen die Mechanismen ihres Kohlenstoffkreislaufs und ihr Potenzial weiter untersucht werden.

Unser "blaues" Herz

Als weltweit größte aktive Kohlenstoffsenke ist der Ozean eine wertvolle naturbasierte Lösung für den Klimaschutz. Die Tiefsee spielt dabei eine wesentliche Rolle, da sie Kohlenstoff bindet, der sich über Zehntausende von Jahren angesammelt hat und der über Generationen hinweg sicher gespeichert bleibt – vorausgesetzt, die Kohlenstoffbindung bleibt ungestört.

Bamboo CoralIvan Hurzeler and Deep Search 2019 - BOEM, USGS, NOAA, ROV Jason © Woods Hole Oceanographic Institution

Gefährliches Interesse an der Tiefsee

In der Tiefsee lagern große Mengen an wertvollen Metallen und Mineralien wie Kobalt, Kupfer und Mangan – auch seltene Erden wie Neodym. Diese Stoffe werden unter anderem in Windturbinen und Elektroautobatterien verwendet – für Rohstoffunternehmen ist die Tiefsee von entsprechend hohem wirtschaftlichen Interesse. Befürworter*innen von Tiefseebergbau argumentieren, dass der Abbau dieser Stoffe in der Tiefsee notwendig ist, um die Transformation zu einer nachhaltigen, weniger kohlenstoffintensiven Wirtschaft und Energieversorgung erfolgreich zu bewältigen. Tiefseebergbau stellt jedoch eine akute Bedrohung für die Gesundheit unseres Planeten dar und ist nicht alternativlos, sodass seine Fortsetzung unverantwortlich und unnötig ist.

Weltweit gibt es derzeit 31 Verträge für die Erkundung von Mineralienvorkommen, von denen 22 an Regierungen oder staatliche Unternehmen und neun an private Unternehmen vergeben wurden. Drei Unternehmen mit Hauptsitz in Industrieländern sind bei den Explorationsaktivitäten besonders dominant: The Metals Company mit Hauptsitz in Kanada, UK Seabed Resources, eine Tochtergesellschaft des US-Unternehmens Lockheed Martin, und das belgische Unternehmen Dredging, Environmental and Marine Engineering NV. Alle Tiefseebergbauaktivitäten konzentrieren sich auf drei Arten von Mineralien: Polymetallische Sulfide, Ferromangankrusten und polymetallische (Mangan-)Knollen.

Diese Weltkarte zeigt die Lage der drei wichtigsten Mineralienvorkommen. Miller et al. (2018)

Erhebliche Risiken für die Umwelt

Um Mineralien aus der Tiefsee zu gewinnen, müssen Bergbauunternehmen Metalle und seltene Erden am Meeresgrund abbaggern, abschaben oder herausschneiden und sie zu speziellen Verarbeitungsschiffen an die Meeresoberfläche pumpen. Manganknollen, das begehrteste Mineral aus der Tiefsee, werden mithilfe von sogenannten „Kollektoren“ abgebaut – Maschinen, die über den Meeresboden fahren, die oberste Sedimentschicht aufwirbeln und die Knollen lösen, wobei sie alles Leben auf ihrem Weg vernichten.

Die Manganknollen und Sedimente werden dann in den Kollektor gesaugt und grob im Inneren getrennt, bevor ein Teil der Sedimente hinter dem Kollektor ausgestoßen wird. Dabei werden Ökosysteme zerstört, die über Jahrtausende entstanden sind. Die Mineralien und das im Kollektor verbleibende Sediment werden anschließend in einen langen Schlauch gepresst und zur Weiterverarbeitung zurück zum Schiff an die Oberfläche befördert. An Bord des Schiffes werden die Manganknollen vom Schlamm getrennt und das Abwasser anschließend wieder in den Ozean abgelassen.

Schwebstoffe können mit den Meeresströmungen Hunderte von Kilometern weit transportiert werden und sich dadurch auf Organismen in weiten Teilen des Ozeans auswirken. Darüber hinaus wirken sich Licht und Lärm negativ auf Meereslebewesen aus: Der Lärm einer einzigen Bergbau-Operation könnte bis zu 500 Kilometer weit reichen und ihre Fähigkeit zu kommunizieren sowie Beute und Raubtiere zu erkennen, beeinträchtigen.

Drastische Auswirkungen

Tiefseebergbau wird die Meeresumwelt erheblich beeinträchtigen, unter anderem durch die direkte Schädigung der benthischen Fauna, die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung durch Sedimentwolken und Abwassereinleitungen sowie Lärm- und Lichtverschmutzung.

Dies könnte zu einem Verlust an biologischer Vielfalt führen, die Funktionen des Meeresökosystems und marine Nahrungsnetze sowie die Fischerei beeinträchtigen und den Kohlenstoffkreislauf stören.

Queen Snapper © NOAA Office of Ocean Exploration and Research

„Schlafwandeln“ in eine Ära des Tiefseebergbaus

Gegenwärtig gibt es noch keinen kommerziellen Tiefseebergbau in internationalen Gewässern, da der Rechtsrahmen dafür noch ausgearbeitet werden muss. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), die im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 (UNCLOS) und des Durchführungsübereinkommens von 1994 (1994 Agreement) eingerichtet wurde, ist für die Regulierung des Tiefseebergbaus auf dem internationalen Meeresboden zuständig. Die ISA ist eine zwischenstaatliche UN-Organisation, die aus 167 Mitgliedstaaten und der EU besteht.

Im Juni 2021 löste der ISA-Mitgliedstaat Nauru in einem beispiellosen Schritt die sogenannte „Zwei-Jahres-Regel“ aus – eine Bestimmung des Durchführungsübereinkommens von 1994. Sie sieht vor, dass die Verabschiedung des Regelwerks zur Erkundung und zum Abbau von mineralischen Rohstoffen in internationalen Gewässern, des sogenannten „Mining Codes“, innerhalb von zwei Jahren erfolgen muss. Dies hat innerhalb der ISA zu einer beschleunigten Ausarbeitung der Regularien geführt, um den Mining Code noch vor dem Auslaufen der Frist fertigzustellen.

Die Staaten haben dem künstlich aufgebauten Druck der Tiefseebergbau-Industrie widerstanden, doch angesichts des enormen Drucks von Unternehmen, die so schnell wie möglich mit dem Abbau beginnen wollen, ist die Gefahr nach wie vor nicht gebannt. Politische Entscheidungsträger*innen und weitere Expert*innen äußerten die berechtigte Sorge, dass die Menschheit in eine Ära des Tiefseebergbaus „schlafwandelt“, die wir weder brauchen, noch uns leisten können.

Dubiose Geschäfte

Der aktuelle Zustand der ISA ist bedenklich: Noch nie hat die ISA einen Antrag auf eine Genehmigung für die Erkundung möglicher Tiefseebergbauvorhaben abgelehnt. Die Sitzungen ihres mächtigen Rechts- und Technikausschusses finden hinter verschlossenen Türen statt, ohne dass detaillierte Sitzungsprotokolle veröffentlicht werden.

Es gibt klare Hinweise, dass die ISA sowohl durch Lobbyarbeit als auch durch ihre institutionelle Struktur stark mit Unternehmen verflochten ist. Zudem hat die ISA ein Eigeninteresse an der Ausweitung von Tiefseebergbau, denn die Organisation soll langfristig durch die Beteiligung an Bergbauprofiten finanziert werden.

Zu guter Letzt ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Entscheidungsprozessen der ISA begrenzt und wurde vielfach kritisiert.

Black smoker in 2.980 Metern Tiefe am Mittelatlantischen Rücken © MARUM – Center for Marine Environmental Sciences, University of Bremen (CC-BY 4.0)

Globale Bewegung gegen Tiefseebergbau

Eine wachsende Zahl von Ländern hat sich gegen die Ausbeutung der Tiefsee ausgesprochen. Der Inselstaat Palau war das erste Land, das ein Moratorium für Tiefseebergbau forderte. Fidschi, Samoa, Chile und Mikronesien schlossen sich kurz darauf an. Am 27. Oktober 2022 rief Neuseeland zu einem „bedingten Moratorium“ auf. Als erste große Industrienation sprach sich Deutschland vier Tage später mit einer „vorsorglichen Pause“ (Precautionary Pause) gegen die zerstörerische Praxis aus und unterstützt bis auf Weiteres keine Vertragsanträge für Tiefseebergbau. Spanien hatte zwei Monate zuvor bereits seine klare Position gegen Tiefseebergbau geäußert. In seiner Rede auf dem UN-Weltklimagipfel (COP27) ging Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Schritt weiter und verkündete Frankreichs Forderung nach einem dauerhaften Verbot von Tiefseebergbau. Am 30. Oktober 2023 erklärte das Vereinigte Königreich seine Unterstützung für ein Moratorium. Damit reiht es sich in die Liste der 23 Staaten ein, die Tiefseebergbau ablehnen.

Darüber hinaus sprechen sich die Europäische Kommission sowie das Europäische Parlament bis auf Weiteres für ein Aussetzen der Praxis aus. Auch wenn sie sich bislang nicht für ein Moratorium, eine „Precautionary Pause“ oder ein Verbot ausgesprochen haben, betonen Brasilien und Italien, wie wichtig solide, wissenschaftlich fundierte Regelungen für den Tiefseebergbau sind.

Mehr als 700 Meereswissenschaftler*innen und -expert*innen haben kürzlich eine Erklärung unterzeichnet, in der sie eine Pause für Tiefseebergbau empfehlen, bis ausreichende und solide wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen; mehr als 250 Parlamentarier*innen aus über 50 verschiedenen Ländern unterstützen einen Aufruf für ein Moratorium. Darüber hinaus haben sich große Unternehmen, die angeblich von Tiefseebergbau profitieren würden, derzeit gegen Tiefseebergbau positioniert und argumentieren dafür, ihn zu verhindern, bis ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse über seine Auswirkungen vorliegen. Von Autoherstellern wie BMW, Volkswagen und Volvo, über Banken und Finanzinstitute sowie Technologieunternehmen wie Philips und Samsung bis hin zum Softwaregiganten Google – ihre Botschaft ist eine klare Absage an den Tiefseebergbau und die Zerstörung, die er verursachen würde.

Wir haben die einmalige Gelegenheit, die Zerstörung aufzuhalten, bevor sie überhaupt beginnt – eine Gelegenheit, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.

Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) & Gründer der Environmental Justice Foundation

Rattail fish © NOAA OER/Global Explorer

Unsere Chance, die Tiefsee zu verteidigen

Wir wissen nur wenig über die Tiefsee, doch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sie für das Ökosystem unseres Planeten und unsere weltweite Nahrungsmittelversorgung von entscheidender Bedeutung ist. Die exzessive Ausbeutung dieses lebenswichtigen Teils unseres Ozeans könnte katastrophale Folgen haben, mit möglicherweise globalen und unumkehrbaren Auswirkungen.

Eine wachsende Zahl von Wissenschaftler*innen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, politischen Entscheidungsträger*innen und Ländern spricht sich bereits mit Nachdruck gegen Tiefseebergbau aus. Es ist jedoch mehr Unterstützung notwendig, um den Ansturm auf die Tiefsee, der hauptsächlich von der Industrie vorangetrieben wird, zu stoppen. Das zuständige Verwaltungsorgan – die ISA – steht nicht zuletzt aufgrund von Interessenskonflikten und intransparenten Entscheidungsprozessen in der Kritik und sollte dringend reformiert werden.

Um echte Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen Bemühungen um eine grüne Energiewende verstärkt werden. Doch es kann nicht die Lösung sein, überstürzten und potenziell verheerenden kommerziellen Bergbau in der letzten nahezu unberührte Wildnis der Erde freizugeben. Im Gegenteil – ein solches Vorgehen könnte den planetarischen Notstand, in dem wir uns aktuell befinden, noch verschärfen.

Nur nationale Verhandlungsführer*innen können die Tiefsee jetzt noch retten. Die Botschaft der Welt an sie ist klar: Hören Sie auf die zunehmende Zahl von Stimmen gegen Tiefseebergbau und verhindern Sie den verheerenden Wettlauf zum Meeresgrund, bevor er beginnt.

Der Weg in die Zukunft

Befürworter*innen von Tiefseebergbau halten ihn für notwendig, um den künftigen Mineralienbedarf zu decken. Prognosen darüber sind jedoch unsicher und berücksichtigen die Rolle von Recycling und der Rückgewinnung von Metallen nicht ausreichend.

In Deutschland und anderen Industrienationen führt unser lineares Wirtschaftsmodell dazu, dass wir derzeit etwa drei Erden bräuchten, um unseren Ressourcenbedarf zu decken, wenn weltweit ein ähnlicher Pro-Kopf Konsum bestünde.

Um die Abhängigkeiten von neuen Rohstoffquellen zu reduzieren und die exzessive Ausbeutung von Bodenschätzen zu stoppen, müssen wir von einem linearen Modell hin zu einer wirklich nachhaltigen und kreislauforientierten Wirtschaft übergehen – einem Produktions- und Konsummodell, das darauf abzielt, unsere Wirtschaft so zu gestalten, dass sie sich an den planetarischen Grenzen ausrichtet.

Kaltwasserkorallen vor Irland in 750 Metern Wassertiefe © MARUM – Center for Marine Environmental Sciences, University of Bremen (CC-BY 4.0)

Weitere Beiträge

Mehr zur Meere-Kampagne